BOA reboot – Pseudothrombopenie

“Glaub keinen pathologischen Laborwert, den du nicht selber nochmal kontrolliert hast!” sprach mein Vorbildsfaktotum von Oberarzt und hatte – wie immer – natürlich recht (Frei nach “1. Der OA hat immer recht und 2. Wenn nicht, siehe 1.)”…

Das berühmte stauungsbedingte 7er Kalium verwandelt sich meist innert einer ungestauten Abnahme vom Notfall zur Normokaliämie, ebenso der Hb von 6,0 aus der Vene mit dem Ringeracetatzulauf… da lohnt sich die erneute – und selbst durchgeführte – Abnahme oft sehr zur Schonung von Ressourcen und Coronarien.

Eine Ausnahme gibt es, wo uns sture Abnahmeredundanz nicht weiterbringt: Die Pseudothrombopenie. Hier muss man wissentlich auf spezielle Abnahmemedien zurückgreifen, um das gewünschte Ergebnis zu generieren, nämlich die tatsächlich vorliegende Normothrombozytämie…

Aber was heisst eigentlich Pseudothrombopenie: Nun zunächst dem Wort nach eine vorgespiegelte Verminderung der Thrombozyten unter etwa 150000/ mcl. Nehmen wir normalerweise Thrombozyten ab, dann geschieht deren Bestimmung in der Regel aus einem EDTA-Röhrchen. In solchen kann es aber zu einer pathophysiologisch nicht ganz geklärten Aggregation von Thrombos kommen. Diese werden dann in Zellzählgeräten nicht mehr als Thrombozyten erkannt und es ergibt sich eine Thrombopenie, die keine ist (und oft eine Leukozytose, weil die Aggregate als Leukozyten fehlgedeutet werden). Die Pseudothrombopenie ist also ein Phänomen der maschinenseitigen Auszählung. Interessanterweise ist das Phänomen zeitabhängig, heisst, lassen wir die Röhrchen länger stehen vor der Bestimmung, wird die Aggregation wahrscheinlicher.

Wenn EDTA das Problem ist, dann sollten andere Medien die Lösung bringen. In der Regel kommen Citratröhrchen zur Anwendung. In diesen kommt es nicht so schnell zur Thrombozytenaggregation und unsere (frühe) Citratkontrolle zeigt wieder eine Normothrombozytämie. Auch das direkte Verarbeiten einer Probe mit entsprechender Normalisierung kann Hinweise geben. Im Ausstrich/ Handauszählung lassen sich die Aggregate unter dem Mikroskop gut erkennen. Warum die Einschränkungen mit “früh” und “nicht so schnell”? Auch unter Heparin- und Citratblut finden sich zeitabhängig Aggregationen. Eine Magnesiumverbindung (Die Firma Sarstedt verrät den Inhaltsstoff nicht… Mannuss und Kollegen lassen aber vermuten, es handle sich zumindest in Teilen um Magnesiumsulfat) im Thromboexakt-Röhrchen erlaubt eine deutlich längere aggregatreduzierte Bestimmung im Stundenbereich.

Froom und Barak beziffern die Rate der Pseudothrombopenen unter ambulanten Patienten mit Thrombopenien auf 12,5%, die Punktprävalenz auf 0,1-0,2%. Gerade dort, wo also Thrombopenien in relevantem Masse auftreten wie unter Tumorpatienten oder im Rahmen der fortgesetzten Heparintherapie lohnt sich ggf. der Griff ins Citratfach oder der Handausstrich. Das Phänomen tritt patientenspezifisch auf, soll heissen, ein Hinweis und/ oder Ausweis hilft unnötige Transfusionsorgien und ihre deletären Folgen zu vermeiden!

Wie immer: dran denken hilft! Und im Zweifel hilft der Anruf beim Kollegen vom Labor…

Froom, Barak – Prevalence and course of pseudothrombocytopenia in outpatients; Clinical Chemistry and Laboratory Medicine (CCLM) 49:1 – doi https://doi.org/10.1515/CCCLM.2011.013 (online 10/2010)

Mannuss, Schuff, Dreissiger, Burstein – Inhibition of agonist-induced platelet aggregation by magnesium sulfate warrants its use as an alternative in vitro anticoagulant in pseudothrombocytopenia; Platelets 09/2019, 31(1):1-5 – doi: 10.1080/09537104.2019.1663804




2 Kommentare

  1. Zufällig habe ich dein Blog gefunden. Ich möchte dir Danke sagen. Sehr wichtige praktische Info. Nicht immer leicht zu verstehen, aber trotzdem sehr nützlich.

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