BOA reboot – Noch n Raptus – Teaching

Ich schau ja seit Jahren als PJ, als Assistent, als Facharzt und jetzt als OA die dürftigen Prozesse an, die man im deutschen Sprachraum für teaching/ Lehre/ Aus- und Weiterbildung hält und plötzlich ist es mir wie Schuppen aus den Haaren, äh von den Augen gefallen: vielleicht ist das gar kein böser Wille, wenn die laut Tariflisten von MB und VSAO mit 110000 €, bzw. 200000 CHF per annum entlohnten OA/OÄ, LOA/LOÄ, CA/CÄ ihrer Aufgabe nicht nachkommen und beschissen teachen. Vielleicht ist es ja gar kein projezierter Selbsthass, gar keine auf Armseligkeit beruhende Herablassung des früher Gequälten, der sich nun an Schutzbefohlenen rächt? Vielleicht wissen Sie einfach wirklich nicht, was sie tun? Vielleicht hat’s Ihnen einfach keiner gezeigt und erklärt und sie müssen im selben System mit trial and error auf der Suche nach der Lösung durch die Scheisse waten wie ihre Assis auf der Suche nach der Standardtherapie und dem Diagnosealgorithmus? Nun, machen wir doch, was wir auch sonst machen: Grundlagen erklären und Wege aufzeigen:

Radfahren beenden

Lieber Hans, liebe Helga, nur weil Du noch AIP für lau machen musstest und dein psychotischer von Sauerbruch’schen Allmachtsphantasien getriebener Chef dich für minderes Salär als FunktionsOA statt LA seit 10 Jahren quält, hast Du nicht das Recht andere klein zu machen. Nach oben buckeln, nach unten treten ist was für kleingeistige, seelenlose Wichser… für die Versehrten einer hoffentlich bald der Vergangenheit angehörenden Art aufgesetzten akademischen Seins… ok, auch die muss es geben… jedem seine Rolle? Nein danke.

Es geht um Wissensvermittlung UND um Patientensicherheit.

Mag sein, dass es 20 Jahre her ist, dass du eine Uni von innen gesehen hast, aber auch dir ist klar: praktische Erfahrung sammelt man nicht im Hörsaal. Mit ner scharf geschliffenen Nadel am Arm des Patienten stehen, ist etwas anderes als Thiemes papierne Freunde durchzuschmökern. Und da du in der selben Situation mit derselben Unsicherheit warst, musst du dir schon die Frage gefallen lassen: Warum machst du’s nicht besser? Warum hilfst du nicht, obwohl du die Angst kennst? Und: als Patient fände ich die Aussage, mein Arzt mache etwas, das er nur aus Büchern kennt ohne backup zum ersten Mal eher unerfreulich. OA/ OÄ heisst auch ärztlich im Sinne des Patienten/ der Patientensicherheit handeln. Das wiederum hiesse, zeigen, anleiten, korrigieren, relevante praxisorientierte Nebeninfos geben. Und ‘See one, do one, teach one’ ist das Minimalmaß, nicht das Optimum… im Nachhinein dem unerfahrenen Assistenten vorzuwerfen, er habe es nicht so gemacht, wie du es gedacht aber nicht kommuniziert hast, ist gelinde gesagt dämlich. Und dann das Hierarchiegefälle nutzen, um keine Kritik erdulden zu müssen… Leistungsträger? Der Assistent hat ein Recht auf Lehre. Der Patient hat ein juristisches Recht auf zumindest durchschnittliche Sicherheit. Facharztstandard? Schon mal gehört, oder?

Erwartungen und Handlungshorizonte kommuniziert man VORHER. Besonders perfid wird’s, wenn man sich aus der Affaire zieht und nachher dem anderen Kompetenzüberschreitung vorwirft, weil er einen nicht involviert habe oder mangels Vorgabe einen anderen Weg gewählt hat. PS: Assistenten dokumentieren heute Dinge wie ‘OA informiert, sieht keine Notwendigkeit zur Unterstützung’. Und dank log löscht sich sowas schwer. Das wiederum wäre dann übrigens Dokumentenfäschung. SOP schreiben und KOMMUNIZIEREN hilft. Integrität übrigens auch.

Du wirst es nicht glauben, in der Medizin geht’s um Patienten! Dein Egotrip der Marke abgehoben/ gleichgültig ist Liese Müller mit ihrem Colon-CA und Hugo Schneider mit der zertrümmerten Schulter herzlich egal und sie aus schierem Unwirsch und letztlich Bequemlichkeit einem Assistenten zum trial and error Training ohne Instruktion auszuliefern ist unethisch. Prozess- und Behandlungsqualität schauen wir da noch gar nicht an. Mag sein, dass es dein Assistent auch ohne dich gut macht, aber weiss man das? Und die Gehaltsdifferenz darf sich ja in ‘Führung’ und ‘Anleitung’ vielleicht auch mal niederschlagen, oder? So Garantenstellung und Facharztniveau? Im Übrigen darf man sich fragen, ob das was du da so machst oder vielmehr nicht machst der Idee deines Arbeitgebers in deiner Stellenbeschreibung entspricht. Auch selbsternannte Fixsterne am Horizont der Premiummedizin und Halbgötter verantworten sich vor ihren Vorgesetzten der Abrechnungs- und Verwaltungsebene… und Komplikationen sind neben allen menschlichen Implikationen für die Beteiligten auf beiden Seiten der Nadel v.a. eins: teuer und rufwirksam. Multiplikatoren (also Menschen, die deinen Ruf mehren oder schmälern) negativer vs. positiver Art wirken etwa im Verhältnis 7:2. Nur so am Rande.

‘Dabeistehen’ oder ‘Vorbeigehen’ ist was anderes als ‘anwesend und geteacht’. Unlängst durfte ich wegen Krankheitsausfall sehr kurzfristig einen Eingriff übernehmen, den ich so noch nie gemacht hatte. Anatomisch nicht ganz einfach und mir inhaltlich bedingt klar, erlaubte ich mir zu sagen, ich habe das Verfahren weder gesehen noch gemacht. Die Antwort war, ich sei ja vor Wochen irgendwann schon mal daneben gestanden und anatomisch sei ja nichts wichtiges in der Nähe. Schallkopf drauf und da sind in der Muskulatur 3 Bobbelome, das seien die Nerven der Wahl. Jeder, der einmal etwas aktiv gelernt hat, weiß, dass das mindset ein anderes ist, ob ich körperlich anwesend oder fachlich involviert bin. In dem Wissen, man müsse das bald selber machen, achtet man auf und speichert man andere Sachen ab. Vor nem dreiviertel Jahr mal zufällig bystander gewesen sein ist kein teaching und generiert einfach mal gar nichts an Inhalt. Zum teaching gehören Grundlagen, Vorgehen, trouble shooting, idealerweise eine aufbauende Übungsreihe und Guidance – also begleitetes Durchführen mit on-scene Korrektur. Ach das ist aufwendig? Echt? Und? Qualität hat ihren Preis. Und im Umkehrschluss sind sinnlose und unnötige Fehler auf Dauer teurer. Ja, auch und vor allem für den Patienten. Und: Gutes Teaching hat Struktur und ist aufbauend. Und nur weil keiner es besser macht und grad niemand fähiges verfügbar ist, daraus zu schliessen, dass es ok ist, den Patienten deinem trial and error auszusetzen… ernsthaft? Opfern wir seit Neuestem die Gesundheit unserer Patienten auf dem Altar der infrastrukturellen Resignation?

Jemand der weniger weiss als du, hat vielleicht einfach weniger Erfahrung oder andere Schwerpunkte? Blasierte Herablassung, gern mit der augesetzten Haltung höherer akademische Bildung (näselnd: “Ach sie haben die Studie von Schnurzpiep und Bröselmann im IJSUY (International Journal of Stick it Up Yours) nicht gelesen? Tststs…”) find ich ziemlich unangebracht, gerade in nem Lehrkrankenhaus. V.a. wenn die einzige Realleistung im Aushalten der vergangenen Jahre bestand… lange einen weissen Kittel tragen macht keinen guten Arzt aus einer Nullnummer. Publizieren ohne klinische Erfahrung und bar jeder Sozialkompetenz übrigens auch nicht. Der Spaltlampenblick auf die Pathophysiologie der Kappa-subunit des xten XYZ-Kanals der Szbmembran irgendeines Organells als Grundlage und Eingang zum Chefstellenspiel macht in der Regel keinen guten Praktiker und noch weniger Lehrer oder Vorgesetzten… die Praktiken der ellbogenreichen, passiv aggressiven akademischen Medizin machen keine guten Kollegen noch weniger empathische Behandler. Und den Jungmediziner herablassend behandeln, weil er auf Seite drei seiner Story ist und du im Abspann deiner eigenen, zeugt auch eher weniger von Realitätssinn.

Und wie dann? Im Bewusstsein der emotionalen Belastungen als Anfänger wertungsfrei und wertschätzend, aufbauend und differentiell erläuternd.

Eine Übungsreihe für den AxPlex, wie ich sie in Münsterlingen mit JEDEM Frischling durchgegangen bin:

  • SOP ‘axilläre Plexusblockade’ inkl. Meditheorie, NW und Komplikationsmanagement
  • Einheit “Ultraschall-Basics” zur Begriffsdefinition und Maschinenkunde (Schallkopftypen, Tiefen-/ Gain-/ Focus-/Dopplereinstellungen, Schallkopfbewegungen und in-plane/ out-of-plane/ cross in Theorie)
  • Einheit “praktische Nadelführung” am Blue Phantom (walking-down, in-plane, out-of-plane, Reverberationsartefakte, etc.)
  • Erste Blockaden unter direkter Supervision mit trace-back aller Nerven und Identifikation der Profunda brachii.
  • Zunehmend gelockerte Supervision.

Schade, dass das Motiv ‘Der Assistent ist faul und blöd’ so fest verankert ist. Ich denke immernoch: Die Qualität der Lehre und damit der Oberärzte spiegelt sich direkt im Leistungs- und Motivationsniveau der Assistentenschaft.

Grundsätzlich:

  • Erwarte ich, dass jemand etwas tut, etwas weiss oder etwas in bestimmter Weise und mit bestimmten Ergenis tut, dann hilft nur Kommunikation von Ziel, Erwartung, Weg, Verlaufsparametern, etc.
  • Wenn ich etwas nicht hundert Mal erzählen will, dann muss ich einen Standard schreiben, auch zur Qualitätssicherung ist das ja irgendwie sinnvoll.
  • Wenn ich aber ne SOP schreibe, hilft’s schon, wenn die davon betroffenen sie auch finden… wieder hilft wieder Kommunikation.
  • Kommunikation läuft besser, wenn sie auf Augenhöhe stattfindet. “Alle Scheisse außer ich” hilft da nur bedingt.
  • Selbstkritik, Introspektionsfähigkeit und Interaktionsbewusstsein helfen interpersonelles zu verbessern.

Also:

Wer muss was und wie, wo steht’s? Und wir agieren immer als “Wir”…

Und bevor jetzt wieder jemand schreibt, ich habe meinem Frust erlaubt, sein hässliches Gesicht zu zeigen und ob es mir jetzt wohl besser gehe… ich hoffe Ihr seid dann auch die, die sich vor die Assistenten stellen, wenn einer der Granden wieder mal sinnlos der Gaul durchgeht und auf Assis eingehackt wird … ich jedenfalls tue das, hier wie im realen Leben. Und erfahrungsgemäss sind die, die Kritiker verwerflich finden und Veränderung unnötig, genau die, die am tiefsten im Ar*** des Chefs stecken.

Ein Kommentar

  1. Als Rentner kann mirs eigentlich egal sein, aber als nach wie vor interessierter Leser würde ich bei solchen engagierten und auch emotionalen offenen Briefen schon gerne wissen, wer eigentlich schreibt. Oder steckt der Verfassername irgendwo, und ich hab ihn bloß nicht gefunden? MfG T. Trübenbach

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