Es gibt Inhalte, die sich durch alle Generationen halten, weil sie niedere Instinke ansprechen: Trägheit, Selbstüberhöhung und Rachegelüste – letztere aus Feigheitsgründen verschoben auf die nächste Generation. Nur wehrt die sich inzwischen – zur Not, in dem sie den selbstgefälligen Reaktionären die 100 ungeschriebenen Briefe einfach vor die Füsse knallt und in die Pharma abdampft. Tolles Ergebnis! Ja nichts ändern und es den Jungen schön schwer machen. Die Zeiten, in denen man um AIP- und Assistentenstellen betteln musste und alles bereitwillig ertrug sind VORBEI. Das mag nicht bei jeder Eminenz angekommen sein und die selbsterdachten Glorienscheine trüben den Blick vom Elfenbeinturm auf die Realität, aber Assistenzärzte und -ärztinnen sind inzwischen rar und finden auch und gerade im Ausland und ausserhalb der Medizin jemanden, der sie gut bezahlt und wertschätzt.
So, was regt mich grad so auf? Die ältesten und dämlichsten aller Argumente zur Wahrung des Status quo. Motto “Ja nicht aktiv werden”:
- Woanders ist es auch nicht besser…
- Da mussten wir auch durch, hat uns auch nicht geschadet.
Doch, hat es. Warum sonst bist du so frustriert und hoffnungslos, dass du glaubst, nichts ändern zu können? Warum sonst hast du vergessen, wie scheisse es sich anfühlt, mit den Fragen zur Therapie schwerkranker Menschen erst alleingelassen zu werden, um dann am Schluss, wenn etwas nicht nach den wenig kommunizierten Erwartungen lief, zur Sau gemacht zu werden? Wo ist deine Empathie, dein Verständnis, deine Kritikfähigkeit? Ich spar mir fast den Verweis auf Mann’s Untertan und das Stockholmsyndrom. Fast.
Ich lehre seit bald 20 Jahren in verschiedenen Formen an Bett und zwischen Tür und Angel – gerade weil meine Ausbildung so mies war! Ich will es besser machen. Und jeder (!) kann es besser machen helfen. Ich verstehe den Ansatz der gleichgültigen Duldsamkeit nicht. Und den Willen, jemanden klein zu machen oder zu halten noch weniger. Bricht mir n Zacken aus der Krone, wenn einer ‘meiner’ Assis besser wird und mich locker überflügelt? Nein, ich bin auf sie alle stolz. Klar gibt’ s Assis, die nerven, aber auch da hilft Wertschätzung weiter. Leute auf’s Abstellgleis stellen, Mobbing, Blossstellung und Clusterfuck sind Medien kleingeistiger Aggressoren – leider oft genug in vorgesetzter Position. Auch mir platzt der Kragen mal. Aber Anknüpfung muss möglich sein. Respekt sollte unsere Grundlage sein.
Jetzt hab ich mit Punkt zwei angefangen, auch gut. Was bedeutet es, wenn es woanders auch nicht besser ist? Gar nichts, mach es hier gut. Zufriedene Assis sind motivierte Assis, sind mutig, trauen sich etwas zu und fragen den, dem sie stabil vertrauen können, der nicht sofort schreit, wenn es eng wird. Wer ständig gegängelt wird, Angst vor Blossstellung und Strafe hat, der schummelt, traut sich nicht zu fragen und verheimlicht vielleicht, wenn was schiefgeht, bis ein Patient zu Schaden lommt. Wer will das? Und gutes Teaching in regem Austausch über Abläufe, Inhalte, Alternativen und Pitfalls lässt früher ein breites Wissen entstehen. Ich hab glaub genauso viel von Assis gelernt, wie umgekehrt und lerne jeden Tag. Trial and Error nützt allenfalls Juristen, Pathologen und Bestattern.
Und noch ein Aspekt, es ist ein Fakt, dass mit dem Druck und der Unzufriedenheit – ganz statistisch – die Zahl der Krankheitstage steigt. Zufriedene leisten gerne mehr. Ein durchaus wichtiger ökonomischer Aspekt.
Und immer dran denken… es geht nicht um dein Ego. Bleib patienten- und lösungsorientiert.
Amen.
❤️ tragischerweise sind wir uns noch nicht über den Weg gelaufen, bist aber definitiv einer meiner besten Lehrer! Werde deinem Weg gerne folgen – weiter so!
Lächeln, du kannst sie nicht alle umbringen.
Lieber Michel,
auch wenn nicht alles so ist wie du willst, du hast Impakt. Ich kenne nun einige junge motivierte Assistenten, die dir dankbar folgen, von dir profitieren, dich weiterreichen.
Wir können diese Welt nicht besser machen, schon die Ziele Richtig und Gerecht sind nicht allgemein zu definieren. Wir können nur uns nutzen. Die kleine Freiheit des Hundes, der hinter dem Ochsenkarren gezogen wird. Wehren wir uns gegen die Richtung, zieht sich die Schlinge fester zu und wir müssen doch folgen. Laufen wir aber mit, haben wir wenigstens eine kleine Freiheit. Nutzen wir diese für Menschen die es wert sind, Patienten und Assistenten.
Mach dich nicht kaputt. Erkenne die Welt. Du kannst nur deine eigenen Wünsche, Begierden, Hoffnungen und Ziele beherrschen sagt Epiktet. Passe diese an, ohne dich selbst anzupassen.
Der Feld, Wald und Wiesen Anästhesist
Das sehe ich anders, menschengemachte Systeme sind von innen heraus veränderbar und das geschieht, gerade weil sich immer mehr wehren. Derlei Entwicklungen brauchen Zeit, ja. Aber wir sind eben keine Hunde, die dem Karren nachgeschleift werden. Die Stoa ist trotzdem ein guter Begleiter. Liebe Grüsse!