BOA reboot – Blood patch bei postpunktionellem Kopfschmerz

PPK

2018 gab es eine neue Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zum Thema postpunktioneller Kopfschmerz mit Hinweisen zu Diagnostik und Therapie, diese wollen wir mit einem erweiterten Fokus auf den epiduralen Blutpatch etwas genauer ansehen.

Der hervorragende Artikel von Radke im Anästhesisten diente der Ergänzung.

Postpunktioneller Kopfschmerz

Wir haben also mal wieder im dritten Ansatz die Spinale versenkt, die Patientin hat erfolgreich eine Sectio hinter sich gebracht und alle sind glücklich, bis an Tag 2 nach Entbindung die Hebamme anruft, weil die Patientin vor lauter Kopfschmerz und Übelkeit weder aus noch ein weiss und am liebsten still im dunklen Zimmer liegen will.

Oder wir haben beim PDK legen ein bisschen weit ventral nach dem loss of resistance gesucht und statt im Epiduralraum zu landen, die Dura perforiert, was sich als kleiner arthesischer Liquorbrunnen zeigt. Nachdem wir an anderer Stelle erfolgreich “gelosst” haben, ist der Patient auf der IPS zwar nun abdominell schmerzfrei, dafür saust es in den Ohren und der Kopf schwirrt…

Beides fassen wir unter postpunktionellem Kopfschmerz oder Liquorverlust, bzw. -unterdrucksyndrom zusammen.

Typisch ist dabei ein nach diagnostischer Liquorpunktion oder Spinalanästhesie (oder eben akzidentieller Duraperforation bei der PDA) innert 5 Tagen auftretender lageabhängiger Kopfschmerz (im Liegen besser!).  Zusätzlich können Übelkeit und Erbechen auftreten, ebenso Schwindel und selten Doppelbilder (häufig Abducensparese), allgemein Sehstörungen, Nackensteife und Hörstörungen.

Abzugrenzen ist das ganze von spontanen Formen der intrakraniellen Hypotension, z.B. durch Mikroverletzungen oder Dysgenesien.

Die Inzidenz liegt bei 5-10% bei diagnostischen Liquorpunktionen mit dünnen, atraumatischen (22-24 G pencil-point) Nadeln, bei der Spinalanästhesie rechnen wir mit bis zu 11 %. Früher lagen die Inzidenzen aufgrund der ausgeprägteren Traumatisierung deutlich höher. Im Rahmen akzidentieller Duraperforation mit Tuohynadeln steigt die Inzidenz auf Werte von 70-100%!

Bei etwa 80% kommt es zu einer Spontanremission binnen 7 Tagen.

Am häufigsten betroffen sind junge Frauen im Alter zwischen 18 bis 30 Jahren mit Kopfschmerzanamnese und niederem BMI (Adipositas reduziert die Inzidenz möglicherweise aufgrund der höheren epiduralen Venendrücke).

Die Inzidenz sinkt wenn wir dünne atraumatische Kanülen verwenden, z.B. solche nach Sprotte oder Whitacre. Verwendet man schneidende Nadeln reduziert die Orientierung des Schliffs parallel zu den longitudinal verlaufenden Durafasern den Gewebeschaden (weniger Fasern durchschnitten) und damit die Auftretenswahrscheinlichkeit.

Den Mandrin beim Zug der Nadel wieder einzusetzen scheint die Inzidenz ebenso zu reduzieren. Durch den nach aussen gerichteten Liquorstrom kommt es zur Verlagerung arachnoidaler Fasern in die Nadelöffnung und diese werden gleichsam durch das Duraleck gezogen und bedingen einen fortgesetzten Liquorverlust. Durch den eingeführten Mandrin wird dies verhindert.

SprotteWhitacre

Pathogenetisch scheint tatsächlich das Trauma (“mehrfache Punktion, grosser Nadeldurchmesser…) ausschlaggebend für Inzidenz und Symptomatik zu sein. Interessanterweise spielt die Liquorentnahmemenge bei LP im Bereich zwischen 10-20 ml wohl keine Rolle. Interessant war für mich, dass auch die Überdrainage bei VP-/VA-Shunt ähnliche Beschwerden auslösen kann. Durch den verminderten Liquordruck kommt es zu meningealem Zug, zur Erweiterung epiduraler Venen und damit zur Zunahme des intrazerebralen Blutvolumens als Ursache für das Schmerzempfinden.

In der Regel dürfte zur Diagnostik die erfolgte durale Punktion gefolgt von typischer Klinik ausreichend sein. Dünnschicht CCT und MRT mit Gadoliniumkontrast wären mögliche bildgebende Verfahren, auch zur Lokalisation eines Liquorlecks.

Bei der Beurteilung des Bildes dürfen gerade paripartal wichtige, teils lebensbedrohliche Differentialdiagnosen nicht ausser Acht gelassen werden: Präeklampsie (auch postpartal!), Migräne, Meningitis, Schlaganfall, Sinusvenenthrombose, Subduralhämatome

In der Therapie werden Koffein, Theophyllin, Gabapentin und Hydrokortison als wirksam erachtet. Invasiv stehen die epidurale Gabe von Fibrinkleber, der epidurale Eigenblutpatch und die mikrochirurgische Versorgung zur Verfügung.

Flachlagerung bringt den Patienten oft Linderung, dennoch ist die regelmässige Mobilisation v.a. zur Thromboseprophylaxe angezeigt.

Die Kaskade der medikamentösen Therapie besteht aus:

  • Methylxantinen (Blockade Adenosinrezeptoren zentral und Vasokonstriktion)
    • Koffein 3-4x/d 200-300 mg p.o. (Coffeinum N 0,2 g Tbl.)
    • Theophyllin 3x/d 280-350 mg p.o.
  • Gabapentin 1-4x/d 300 mg p.o.
  • Hydrocortison 1-3x/d 10 mg p.o.

Hinsichtlich der Nebenwirkungsprofile beschränken wir uns auf Koffein gefolgt von ggf.  Gabapentin. Zusätzlich sind Nichtopioidanalgetika möglich. Eine Hyperhydratation, allgemeiner Infusionstherapie wird nicht empfohlen.

Beim Versagen konservativer Therapie über 4 Tage oder stärksten Beschwerden über 2 Tage ohne Besserungstendenz erfolgt der epidurale Blutpatch.

Epiduraler Blutpatch

Beim epiduralen Blutpatch erfolgt die Injektion von 10-20 ml Eigenblut epidural (man rechnet für die v.a. kraniale Ausbreitung (ggf. tiefer punktieren!) mit etwa 1 Segment pro 1,6 ml Blut) – cave: die Injektion sollte nicht schmerzhaftsein! Zu freigiebige Injektionen sollten vermieden werden, ein Cauda equina Syndrom nach Blutpatch mit 30 ml wurde beschrieben! Andererseits wurden bereits auch Gaben um 60 ml ohne Folgen publiziert. Der Injektion sollte eine 60-minütige flache Bauchlagerung folgen, ggf. in leichter Kopftieflage. Die Punktion selbst erfolgt als loss-of-resistance Punktion auf Höhe der ursprünglichen Punktion, ggf. eine Etage tiefer. Auf strenge Asepsis v.a. auch bei der Blutabnahme (!) ist zu achten. Empfohlen wir ein Vorgehen mit zwei Personen, wobei einer steril punktiert, der andere steril Blut abnimmt.

Der Wirkmechanismus besteht vermutlich zum einen aus einer Tamponade des Duralecks mit konsekutiver Vernarbung, so wie einer leichten peripunktionellen epiduralen Druckerhöhung, die sich nach kranial fortsetzt. 60-90%der Patienten sind nach der ersten Punktion beschwerdefrei. Der EBP ist Mittel der Wahl zur Behandlung des postpunktionellen Kopfschmerzes. Bei Misserfolg sollte die Diagnose aufgrund des sonst hohen Wirkungsgrades kritisch überdacht werden.

Vorübergehende Rücken- und Nackenschmerzen treten bei etwa einem Drittel der Patienten auf, leichte Temperaturerhöhung ist in 5% der Fälle möglich. Bisher ist keine adhäsive Arachnitis oder ein epiduraler Abszess in der Literatur beschriebenn.

Eine prophylaktische Anlage zeitigt wenig Erfolg und ist NICHT empfohlen. Die Gabe von Kristalloiden und Kolloiden kann vorübergehend Linderung bringen, der narbig-entzündliche Verschluss des Lecks bleibt jedoch aus, weshalb der EBP mit Eigenblut empfohlen bleibt.

Interessanterweise beschreiben Naja et al. (Naja Z – Pain Pract 2009 (9):51-58: Nerve stimulator guided occipital nerve blockade for postdural puncture headache) eine deutlichere Schmerzreduktion durch gezielte Blockade der Nn. occipitales – ggf. eine Alternative und/ oder Zukunftsperspektive.

Empfehlungen:

  • Bei Risikopatienten (junge, schlanke Frauen) ggf. andere Verfahren wählen.
  • LP/SPA mit Nadelstärken >/= 27 G (Inzidenz postpunkt. Kopfschmerz) >/= 5%
  • Nadelschliff longitudinal wenn scharfe Nadel
  • Mandrin zum Entfernen der Nadel wieder einführen.
  • bei begleitender Neurologie: Konsil + Bildgebung!
  • Nichtopioide/ Koffein/ Gabapentin
  • EBP: 2 Ärzte, steril-steril-steril



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