“Help, I need somebody! Help – not just anybody!” sangen die Beatles und das sollten wir uns zuallererst auf die Fahnen schreiben, wenn wir schwangerschaftsassoziierte Erkrankungen behandeln: (wo)manpower und zwar erfahrene!
Wir brauchen Hilfe, nämlich mehr Hände und mehr Oberarzt – und, die Patientin braucht Hilfe, nämlich eine prompte und bedarfsorientierte Therapie bis hin zur einzigen kausalen Therapie, der zügigen Entbindung!
Woran sterben Frauen in den Industrieländern periparal? Richtig, Blutungen , thromboembolische Komplikationen und mit fast 20% fast ebenso oft an Präeklampsie und Eklampsie! Man schätzt, dass weltweit etwa 50.000 Frauen an den Folgen hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen sterben!
Pathogenese
Zugrunde liegt den hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen letztlich vermutlich eine gestörte Implantation und Plazentation, soll heißen, der Trophoblast dringt nicht suffizient in das Endometrium vor und es kommt zu einer ungenügenden Versorgung über insuffiziente Spiralarterien. Aufgrund der gestörten Trophoblastenperfusion kommt es durch Hypoxie zur Freisetzung von freien Radikalen und verschiedenen Mediatoren aus Trophoblast und Plazenta mit einer lokalisierten Entzündungsreaktion, die sekundär generalisiert zu einer Endothelschädigung führt. Es kommt zu verminderter Synthese vasodilatatorischer Substanzen (NO, PGE2) und Überwiegen vasokonstriktorischer Substanzen. Gleichzeitig wird vermehrt Thromboxan A2 freigesetzt, welches zu Vasokonstriktion und Thrombozytenaktivierung führt. Eine Schädigung der Kapillaren führt zu Hyperpermeabilität mit Volumenverlust in Form von Ödemen (Hirn! Lunge!).
Die Endstrecke sind also eine Minderperfusion multipler Organsysteme (Leber, Niere, Hirn!) mit Endorganschäden, Hypertonus, Thrombozytenverbrauch und Gerinnungskomplikationen.
Einteilung
Wir unterscheiden:
- Präeklampsie – Hypertonie >140 mmHg und Proteinurie >300 mg/d ab der 20. SSW, Inzidenz ca. 5%, der Übergang von leichter zu schwerer Präeklampsie geht von Hypertonie/ Proteinurie zu Endorganschäden (Oligurie, Thromboabfall, Leberenzymanstieg, Kopfschmerz, Sehstörungen, Oberbauchschmerz, Erbrechen)
- Eklampsie – akute generalisierte, tonisch-klonische Krampfanfälle vor während und post partum (ätiolog. hypertensive Enzephalopathie, Vasospasmen, Hirnödem, Blutungen, Ischämien) – in fast 40% ohne typische Prodromi (Hypertonie/ Proteinurie)! Inzidenz um 0,5%, Letalität 2% (fetale Letalität 12%)
- HELLP-Syndrom – Hemolysis – Elevated Liver Enzymes – Low Platelet Count, letztlich eine begleitende Laborkonstellation bei 10-14% der präeklamptischen und 30% der eklamptischen Patientinnen, Letalität 3-5% (fetale Letalität 15%)
Therapie
Die Therapie besteht im wesentlichen aus drei Elementen:
- Antihypertensiva
- Krampfprophylaxe
- Entbindung
Die antihypertensive Therapie hat nicht Normotonie zum Ziel! Unkontrollierte Blutdruckabfälle gefährden die plazentare Perfusion und damit das Leben des Kindes!
Wir behandeln nur Werte oberhalb von 160 mmHg.
Peroral wird oft alpha-Methyldopa verwendet, es dient der Langzeittherapie, die Dosierung liegt bei 2x 250 mg pro Tag.
Akut kann Nifidipin 10 mg als Beißkapsel oder Nitroglycerin als Sublingualspray mit 1-2 Hüben dienlich sein.
Unsere Medikamente zur i.v. Therapie sind
- Urapidil (Ebrantil) – MdW, aus der Hand geben wir 5-25 mg titrierend, aus dem Perfusor (z.B. 100 mg/50ml: 2 mg/ml) beginnen wir mit 1-2 mg/ min und steigern bedarfsabhängig
- Dihydralazin (Nepresol) – aus der Hand spritzen wir 6,25-12,5-25 mg titrierend (vorsichtig anwenden, der späte Wirkbeginn nach etwa 15 Minuten verführt oft zu überschießender Therapie! Geduld!) – falls man sich zur Perfusortherapie entscheidet, bis maximal 20-100 mg/24h…
Kopfschmerz und Sehstörungen (“Blitze, Mäuse, Flimmern”) machen eine Krampfprophylaxe notwendig, da sie Prodromi des Übergangs zur Eklampsie also einem tonisch-klonischen Krampfgeschehen sind, das Mutter und Kind letal bedroht.
MdW ist Magnesiumsulfat, es ist den üblichen antiepileptischen Therapeutika überlegen und nicht fetotoxisch.
Initial Magnesiumsulfat 2-4g i.v., dann 1-2 g/h über zunächst 24 h (Zielserumkonzentration: 2-3,5 mmol/h).
Klinischer Parameter für eine beginnende Überdosierung ist das Erlöschen des Patellarsehnenreflexes. Häufige Nebenwirkung sind Übelkeit und Schwindel durch eine Abnahme des peripheren Widerstandes.
Einzige wirklich kausale Therapie ist die Entbindung. Um ein Überleben des Kindes zu sichern sollte bei leichter Präeklamsie ab der 25. SSW eine konservative Behandlung in einem Perinatalzentrum versucht werden. Jenseits der 34. Woche und bei allen schweren Verläufen sollte zügig die Entbindung angestrebt werden.
Hinsichtlich des idealen Verfahrens zur Anästhesie besteht Uneinigkeit. Es gilt nur zu beachten:
Thrombozytenzahl und -funktion: Die Dynamik der Thrombozytenzahl ist unbedingt in Betracht zu ziehen, 100000/µl für den PDK, 80000/µl für die Spinalanästhesie sollten (bei sonst unauffälliger Gerinnung) gegeben sein – und zwar ZUM ZEITPUNKT der Punktion! Einen PDK muss man auch wieder ziehen, in schwierigen Gerinnungssituationen muss er wohl überlegt sein!
Trotz der Hypertension besteht bei gestörter Gefäßpermeabilität mit relativem Volumenmangel eine ausgeprägte kardiopulmonale Instabilität sowohl beim Einsatz rückenmarksnaher Verfahren als auch unter den üblichen Narkotika (i.d. Regel Propofol oder Thiopental). Zum Schutz vor einer plazentaren Minderperfusion sind die Möglichkeiten zur Katecholamintherapie beschränkt (i.d.R. Ephedrin und Akrinor!).
Wir schippern also zwischen Skylla und Charybdis medikamentös zwischen Hypo- und Hypertonie hindurch. Der akute Blutdruckanstieg während einer Intubation ohne Opioide (oft um ein “floppy infant” zu vermeiden) kann mit zusätzlich Magnesium kupiert werden (“Quasi-Relaxation”).
Im Rahmen der Intubation ist zu beachten, dass eine ausgeprägte Ödemneigung die Intubation massiv erschweren kann. Außerdem ist das Risiko eines Lungenödems v.a. unter Tokolytika (+”Lungenreife” also Cortison) erhöht – dieses tritt übrigens in der überwiegenden Zahl der Fälle postpartal auf!
Unter Magnesium ist die Wirkung von Muskelrelaxantien verlängert, der periphere Widerstand ist geringer und das HZV gesteigert, die Inzidenz von Bradykardien nimmt zu!
Ich sage ja: HELLP! I need somebody!
Und übrigens… auch bis zu einer Woche nach der Entbindung kann es noch zu einer Eklampsie kommen! Dran denken, wenn die bereits entbundene Mama krampft!
In Kurzform:
Trophoblastenfehlimplantation macht über Mediatoren generalisierte Endothelschäden mit Vasokonstriktion und Organminderperfusion v.a. an Leber, Niere und Hirn, cave: Instabilität und Ödemneigung
Präeklampsie: Hypertonus/ Proteinurie
Eklampsie: Krampfanfall
HELLP: begleitende Laborkostellation: Hemolysis – Elevated Liver Enzymes – Low Platelet Count
Therapie: Urapidil 5 mg titrierend, Magnesium 2-4g wenn`s blitzt, dann 1-2 g/h maximal bis die Patellarsehnenreflexe ausfallen, ENTBINDEN wenn >34. SSW oder Komplikationen auftreten
Labor: Q/PTT/Fibrinogen/Thc Hb/ LDH/Bili/ggf. Haptoglobin, Krea/Prot.i.U., GOT/GPT
Narkose: SPA/PDA – cave Blutung und Kreislauf ITN: cave Intubation und Ödem, Lungenödem und Kreislauf
Und wie verhält es sich unmittelbar postpartal?
Angenommen, unsere präeklamptische Patientin (aktuell “normaler RR” = 140/80) bekommt bei guter Gerinnung eine Spinale zur Sectio und braucht zur Aufrechterhaltung ihres arteriellen Mitteldrucks medikamentöse Unterstützung.
Bis das Kind da ist, nehmen wir uns ihren Blutdruck von 140/80mmHg zur Orientierung, richtig?
Was machen wir nach der Abnabelung, wenn sie ohne Katecholamine bei 90/60 landen würde? Hast du da einen Tipp?
Ich würde da nun nicht wesentlich unterscheiden, wobei die Tatsache, dass wir nicht mehr auf die uteroplazentare Perfusion achten müssen, das ganze etwas weniger akut macht. Es bleibt aber ein Lavieren zwischen Ödemgefahr und Hypovolämie (wobei in der Regel ein Volumenplus uns helfen wird, cave bei der Kombi mit Tokolyse & Lungenreife). Ich würde vermutlich post partum eher auf niedrigdosiertes (gern perfusorgestützt) Noradrenalin setzen wegen der kurzen HWZ. Aber eben, von Fall zu Fall.
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