BOA reboot – Schwangerschaft & Azygossystem?

Die Gyn, bzw. Peripartale Anästhesie war und ist eins meiner vielen Steckenpferde und heute durfte ich bei den Kollegen Massoth/ Kranke/ Wenk etwas für mich spannendes zum Thema Cavakompressionssyndrom lesen.

Wir erinnern uns kurz worum es geht: der schwangere Uterus komprimiere ab etwa SSW16 in Rückenlage v.a. die Cava, wodurch der venöse Rückstrom und damit die Vorlast kritisch fallen können – mit allen deletären Folgen für Mutter und Kind.

Üblicherweise begegnet man dieser Problematik durch 15° Seitkippung nach links, in der Vorstellung, man könne so Kompression und Vorlastmangel reduzieren.

Higuchi, Takagi und Zhang hatten 2015 und Fujita, Higuchi und Sakuma 2019 im MRI gezeigt, dass das nix bringt und erst mit 30° Kippung eine Entlastung eintritt [im Cavaartikel].

Jones et al. [Jones SL Kinsella SM Donald FA – Comparison of measured and estimated angles of table tilt at caesarian section. Br J Anaesth 2003; 90: 86-87] hatten uns 2003 auch schon vor Augen geführt, dass wir ohnehin den Winkel radikal falsch, nämlich zu gross einschätzen und damit nicht mal die gewünschten 15°-LSL, geschweige denn die notwendigen 30° erreicht werden.

Zuguter Letzt ist die Schräglage auch für den Operateur eine Zumutung und es gibt Fallberichte mit lagerungsbedingten Ischiadicusneuropathien… [Roy S, Levine AB, Herbison GJ – Intraoperative positioning during cesarean as a cause of sciatic neuropathy. Obstet Gynecol 2002; 99: 652-653]

Bis dahin wisst ihr das alles. Was find ich nun so spannend?

Die Arbeitsgruppe um Humphries konnte 2019 ebenfalls im MRI eine bemerkenswerte Umverteilung der maternalen Blutflüsse in V. azygos und Cava inferior zeigen – 220 % Zunahme in der Azygos, 85,3 % Abnahme in der Cava inferior [Humphries A Mirjalili SA Tarr GP – The effect od supine positioning on maternal hemodynamics during late pregnancy. J Matern Neonatal Med 2019; 32: 3923-3930].

Die Cavakompression wird übrigens auch früher schon als chronischer Zustand und in 90% als asymptomatisch beschrieben [Kinsella SM Lohmann G – Supine hypotensive syndrome. Obstet Gynecol 1994; 83: 774-788].

Nun haben die Kollegen um Humphries weiter schwangere Frauen durch’s MRI geschoben und konnten genau bei erwähnten 10% symptomatischen Cavaikerinnen zeigen, dass die Zunahme in den Azygosflussraten hier signifikant geringer ausfiel. [Humphries A Mirjalili SA Tarr GP – Hemodynamic changes in women with symptoms of supine hypotensive syndrome. Acta Obstet Gynecol Scand 2020; 99: 631-636] Spannend, oder?

Und für diejenigen, die schon beim Wort Azygos scheitern: Die Vena azygos (‘unpaar’ oder ‘ungebunden’) läuft rechts paravertebral, die Hemiazygos links paravertebral und mündet in ihre dem Wort nach vollständigere Schwester, beide zuletzt in der Cava superior. Beide entbluten primär Mediastinum und Thorax, also unter anderem die Interkostalvenen. Spannend für uns, dass es sich um ein cavo-cavales Anastomosensystem handelt (wer hätte es gedacht, das ‘Azygossystem’), da beide über die Vv. lumbales ascendentes mit der Cava inferior kommunizieren, was es möglich macht, dass Blut, das dank komprimierendem Uterus nicht via Cava inferior zum Herzen kommt, den Weg zu Vorlast via Lumbales ascendentes und Azygos/ Hemiazygos doch noch findet. Ich fühl mich etwas erleuchtet. In diesem Sinne danke!

In Kurzform: cavokavale Anastomosen ermöglichen den Blutfluss via Cava inferior – Lumbales ascendentes – Azygos/ Hemiazygos zum rechten Herzen üblicherweise auch dann, wenn die Cava inferior durch den schwangeren Uterus (teil)komprimiert ist. Bei 10% der Frauen ist dieser Kollateralweg insuffizient, was relevanter Teil des Cavakompressionssyndroms sein könnte.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.