BOA reboot – Kinderanästhesie 6 – Lungenparameter und Beatmung
Der kindliche Metabolismus ist sehr aktiv, der basale Sauerstoffverbrauch ist doppelt so hoch wie beim Erwachsenen und das bereits in Ruhe und Normothermie. Gleichzeitig ist die FRC als O2-Speicher bei der Präoxygenation kleiner, klein auch relativ zur totalen Lungenkapazität.
Unterm Strich ist die Apnoetoleranz deutlich verringert, es kommt innerhalb von Sekunden bis zu wenigen (!) Minuten zu potentiell gefährlichen Sättigungsabfällen. Apnoephasen sind zu vermeiden! Aus diesem Grund erfolgt die RSI beim Kind nach ausreichender Präoxygenierung mit dichtsitzender Maske mit Zwischenbeatmung!
Die elastischen Rückstellkräfte der Lunge können den elastischen Thorax noch verformen, was zu einer weiteren Reduktion der FRC führt. Die Closing Capacity ist hoch, so dass eine Neigung zur Atelektasenbildung besteht. „Alle Kinder brauchen ausreichend PEEP (z.B. 5 mbar)“. Auch mit der LMA! Gegebenenfalls sind Recruitmentmaneuver anzuwenden. Dr. Jöhr verwendet das sogenannte „Lachmännchen“: 5 Atemzyklen mit Spitzendruck 30 mbar und PEEP 20 mbar.
Die Atemmuskulatur ist schwach entwickelt, die Strömungswiderstände der engen Luftwege erhöht. Als reine Bauchatmer ist die Erschöpfung der Atemmuskulatur schnell möglich.
Neurologisch besteht initial eine Unreife des Atemzentrums, das die Apnoewahrscheinlichkeit insbesondere bei Hypothermie erhöht. Die Ansprache auf den paO2 ist reifeabhängig. Inwieweit diese Reife mit dem plötzlichen Kindstod zusammenhängt ist unklar, SIDS (“sudden infant death syndrome”) tritt bis etwa zur 60. Woche post conceptionem auf. Zusätzlich besteht eine Unreife der Schutzreflexe also eine erhöhte Aspirationsgefahr.
Beginnen wir eine Narkose beim Kind, v.a. beim Früh- und Neugeborenen, so sind hohe Sauerstoffpartialdrücke zu vermeiden, da sie zu einer Schädigung der Netzhaut aufgrund einer Störung der retinalen Gefäßeinsprossung führen können (retrolentale Fibroplasie). Dennoch hat die Vermeidung von Hypoxien Vorrang, im Verlauf der Narkose ist jedoch eine möglichst niedrige FiO2 (ggf. „Raumluft“) zu empfehlen, zu Intubation und Extubation brauchen wir ein gewisses Sicherheitspolster (Jöhr verwendet aktuell zur Extubation 80%).
Was die Beatmung angeht, so bieten sich zur Vermeidung von Druckspitzen Autoflow-VCV und vor allem druckunterstützeBeatmungmodi an. Spontanatmungsmodi sind möglich für Analgosedierungen, es bleibt die damit kaum zu behebende Atelektasengefahr.
Unsere Zielparameter entsprechen den physiologischen Werten. Das Atemzugsvolumen ist in allen Altersklassen vom Neugborenen zum Erwachsenen gleich, ebenso der Totraum.
VT=6-8 ml/kg (für alle Altersklassen)
VD=2ml/h (für alle Altersklassen)
Deutliche Altersabhängigkeit finden wir bei der Atemfrequenz. Beim Neugeborenen um 40/min fällt sie zum Adoleszenten hin auf die üblichen 10-14 Atemzüge.
Atemfrequenzen
Neugeborene 40/min
1 Jahr 30/min
10 Jahre 20/min
Adoleszent (und Erwachsene) 10-14/min.
Entsprechend ist die alveoläre Ventilation beim Kind beträchtlich größer als beim Erwachsenen [VA=AF*(VT-VD)], weshalb An- und Abfluten volatiler Pharmaka entsprechend deutlich schneller von statten geht.
Unser Ziel ist eine Kombination aus physiologischen AF und VT, die Normokapnie (pCO2 35-35 mmHg) bei moderaten Drücken und PEEP (Pmax<25-30 mbar, PEEP ca. 5 mbar) erreicht.
Das I:E-Verhältnis orientiert sich am physiologischen I:E=1:1 bis 1:2.
Zur Extubation empfehle ich ein Überdruckverfahren nach supraglottischem Absaugen. Also Extubation unter Druck auf den Beatmungsbeutel bei APL bis 25 mbar statt entkoppeltem Extubieren unter transtrachealer Absaugung, um Atelektasenbildung zu verhindern.
Irgendwie hab ich immer eine tabellarische Übersicht zu dem Thema gesucht, hier wäre mal eine.
Kinderanästhesie Lungenparameter:
Atemzugsvolumen VT 7 ml/kg [idem]
Atemfrequenz AF stark altersabhängig NG: 40/min – Adoleszent 10-14/min