BOA reboot: Extubation auf Intensiv?

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Am Anfang meiner Ausbildung hat mich immer fasziniert, dass der Kollege genau zu wissen schien, wann der Tubus zu ziehen ist, ohne dass der Patient im OP ateminsuffizient wird oder am Tubus zappelt wie ein an Land geworfener Lachs. “Erfahrung” war die häufigste Antort auf die Frage nach dem wann. Heute antworte ich wohl ein wenig differenzierter, aber letztlich ist neben den pharmakologischen (“Überhang”) und physiologischen (Atemantrieb, Schutzreflexe, etc.) Betrachtungen doch die Erfahrung ganz vorn dabei.

Bei Patienten auf Intensiv oder IMC allerdings, die nicht wie die meisten im OP problemlos oxygenieren oder solche mit einer Schwäche der Atemmuskulatur durch längerfristige Beatmung, gelten andere Gesetze und eine intensivere Betrachtung tut not, um den Zeitpunkt der Extubation zu bestimmen.

Der Patient muss in der Lage sein, die Atemarbeit selbst zu leisten und die Lunge muss eine ausreichende Oxygenierungsfähigkeit bieten. Wir betrachten hierzu zunächst zwei Quotienten und ihre Einzelparameter:

Zunächst den Horoviz-Quotienten oder Oxygenierungsquotienten nach Horoviz, also das Verhältnis von erreichtem paO2 in mmHg zur anliegenden FiO2. Wir wünschen uns hier einen Wert über 150 mmHg.

Horoviz-Quotient paO2/FiO2 > 150 mmHg

Was bedeutet dieser Wert? Bei Raumluft (FiO2 0,21) oder unter den Bedingungen der Sauerstoffinsufflation (z.B. 4 Liter via Nasenbrille mit FiO2 etwa 0,37) soll eine Oxygenierung erreicht werden, die zumindest einer Sättigung von über 90 % also etwa 60 mmHg entspricht. Im Fall der Sauerstoffinsufflation gilt also:  HQmin = 60 mmHg/0,37 = 162 mmHg

Weiterhin betrachten wir den RS oder rapid shallow breathing Index, also das Verhältnis von Atemfrequenz pro Minute zu Atemzugsvolumen in Litern innerhalb der ersten Minute nach Übergang auf Spontanatmung. Dazu stellen wir den PEEP auf 5 mbar, den ASB/ pressure support auf 5-7 mbar und beobachten den Patienten. Ein Wert über 105 lässt vermuten, dass die Extubation vermutlich misslingen wird. Betrachten wir was passiert, so stellt ein solcher Wert lediglich dar, dass der Patient sich an der Atemarbeit erschöpft. Die Frequenz steigt, weil das Zwerchfell nur geringe Tidalvolumina zu bewegen in der Lage ist. Klinisch zeigt ein Patient, der sich erschöpft neben der flachen Tachypnoe, Schweißigkeit, Agitation, Tachykardie oder weist selbst auf die Anstrengung hin. Hier würde eine Extubation schnell zu einem respiratorischen Versagen führen.

rapid shallow breathing index RSB AF/AZV < 105

Im klinischen Alltag dürfte ein Patient im weaning oder zur verzögerten Extubation in einem Spontanatemmodus z.B. CPAP/ASB laufen. PEEP und FiO2 werden über die Zeit paO2-abhängig bis auf ein Minimum reduziert. Im Bedarfsfall wird die Atmung z.B. nachts unterstützt. Man gewinnt aber in der Regel ein gutes Bild von der Atemarbeit, die der Patient zu leisten in der Lage ist. Wer nach 2 h ruhigem Atmen Unterstützung braucht, ist noch nicht extubationsfähig.

Also… eine Checkliste:

Der Patient zur Extubation:

  • ist normotherm (also werder hypotherm noch febril!)
  • ist weitgehend kreislaufstabil (also weitgehend katecholaminfrei!)
  • verfügt über vollständige Schutzreflexe
  • ist wach, compliancefähig und ruhig (RASS um 0 – Richmond Agitation Sedation Score)
  • zeigt ausreichende Oxygenierung
    • paO2 >60 mmHg
    • FiO2 <0,4
    • PEEP <5 mbar
    • pressure support/ ASB 5-7 mbar
    • Horoviz > 150 mmHg
  • zeigt ausreichend Spontanatmungsaktivität ohne Erschöpfungszeichen
    • RSB < 105
    • AF <35/min
    • Vt > 5 ml/kg)
  • hustet, streckt die Zunge raus, kann Sekret mobilisieren
  • hält den CO2-Anstieg unter Spontanatmung unter 8 mmHg über 30 min

Dann los?

Nach erschwerter Intubation mit „Flurschaden“ laryngeal oder Eingriffen mit möglichem Larynxödem ist es sinnvoll einen Nebenlufttest oder cuff leak test durchzuführen, um sicher zu sein, dass nicht ein verschwollener Kehlkopf das Atmen und v.a. eine Reintubation unmöglich macht. Hat man den Verdacht , so wird der Tubus in situ belassen, entblockt und mit dem Daumen verschlossen. Strömt Luft vorbei, so ist eine Intubation möglich, andernfalls ist eine Therapie des Ödems vorzunehmen (ex juvantibus sind 80-100 mg Hydrocortison ½-1 h vor Extubation verbreitet) und zuzuwarten.

Ist man sich unsicher kann ein airway exchange catheter durch den Tubus in die Trachea gelegt und belassen werden. Dieser wird in der Regel gut toleriert und bietet die Möglichkeit zusätzlich Sauerstoff zu insufflieren. Zeigt sich ein Extubationsversagen, erlaubt der Katheter eine Führung zur Reintubation. Er kann aber auch ein Verletzungsrisiko darstellen. Vorsicht ist geboten.

Überhaupt ist Ausrüstung notwendig. Ein Airway-Wagen, also ein Rollcontainer mit Instrumenten (Bronchoskop, Fiberoptik, Material zur Koniotomie!) und Medikamenten (Einleitung, Lokalanästhesie, Abschwellung) zur Intubation bei schwierigem Atemweg sollte bei jeder späten oder allgemein besonderen Extubation bereitstehen.

Nach der Extubation können wir einiges tun, um eine Reintubation zu vermeiden. Oberkörperhochlagerung reduziert die Atemarbeit und verbessert die Compliance, Inhalation oder allgemein Anfeuchten der Atemluft verbessert die Sekretmobilisation.

Inhalation mit Adrenalin (0,1 mg/ 5 mlNaCl via Gesichtsmaske oder wiederholte Hübe Infectokrupp Inhal®) führt zu weiterem  Abschwellen der Schleimhäute. Sedativa sollten wir aufgrund der Apnoegefahr vermeiden, das beste Sedativum/ Anxiolytikum ist ohnehin der beruhigende Zuspruch von Ärzten und Pflege. Aufregung ist zu vermeiden, da sie schnell zur Atemerschöpfung führen kann. Midazolam 1 mg-weise oder Tavor expidet 1 mg wären ggf. zu erwägen.

Gelegentlich sind Glucokortikoide zur Abschwellung indiziert, z.B. 4-8 mg Dexamethason oder ein halbes Prednisolonäquivalent/kg.




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