Irgendwie nimmt ja der Sauerstoffgehalt auf dem Weg von draussen, quer durch den anatomischen Totraum über Alveole, Kapillarstrombahn, Blutbahn, Zelle hin zum Ort der eigentlichen Zellatmung der oxidativen Phosphorylierung in den Mitochondrien kontinuierlich ab – man spricht von einer Sauerstoffkaskade. Dabei kommt man an der Alveolargasgleichung kaum vorbei. Die braucht man aber eh zum Facharzttitel. Am Schluss geht’s dann auch noch um O2-Angebot und Bedarf.
Am Anfang steht die verfügbare Atemluft mit ihrem jeweiligen Sauerstoffpartialdruck abhängig von Gasgemisch und Atmosphärendruck. Es gilt also:
PO2 = FiO2 x Patm
Der Atmosphärendruck ist dabei etwa 760 Torr (1 Torr entspricht 1 mmHg). Patm = 760 mmHg.
Bei Eintritt in die Atemwege (Totraum!) wird die Luft mit Wasserdampf gesättigt und erwärmt, in die Summe der Partialdrücke gesellt sich nun also zusätzlich der gesättigte Dampfdruck bei Körpertemperatur hinzu, dieser wird vom Atmosphärendruck im Sinne der Summe der Partialdrücke abgezogen. Es gilt:
PO2 = FiO2 x [Patm – PH2O]
Der Sättigungsdruck des Wassers ist dabei PH2O = 47 mmHg. Merken!
3) Betrachten wir nun die Alveole, so benötigen wir die Alveolargasgleichung.
PAO2 = FiO2 x [Patm – PH2O] – (PACO2/R)
PACO2 ist dabei der Kohlendioxidpartialdruck in der Alveole, dieser lässt sich als endtidales CO2 messen und beträgt etwa 35-45 mmHg oder etwa 5% der Alveolarluft. Wir gehen davon aus, dass per diffusionem aufgenommener Sauerstoff und abgeatmetes Kohlendioxid in einem Gleichgewicht stehen. Das heisst, aus dem gemessenen Kohlendioxid lässt sich der der Alveole entzogene Sauerstoffanteil berechnen. Die zugehörige Konstante ist der Respiratorische Quotient R mit etwa 0,8 bei Mischkost (etwa 1 bei Kohlenhydratmast, 0,7 bei Fleisch-/Fettkost).
In der perialveolären Kapillare entsprechen die Partialdrücke etwa denen in der Alveole, in der gesunden Lunge ist die Diffusionsbarriere hier vernachlässigbar. Die Diffusionskapazität für Sauerstoff liegt nebenbei bemerkt bei etwa 15-20 ml/mmHg/min (etwa idem zum Kohlenmonoxid!), für Kohlendioxid deutlich höher bei 150-250 ml/mmHg/min (Faktor 10!).
Rechnen wir`s also für Raumluft auf Meereshöhe durch!
- FiO2 = 0,21
- Patm = 760 mmHg
- PH2O = 47 mmHg
- PACO2 = 35 mmHg
- R = 0,8
PAO2 = FiO2 x [Patm – PH2O] – (PACO2/R) = 0,21 x [760 mmHg – 47 mmHg] – (35 mmHg/ 0,8) = 0,21 x 713 mmHg – 43,75 mmHg = 105,98 mmHg
Bei Raumluft beträgt also der erwartbare Sauerstoffpartialdruck in der Alveole und in guter Näherung auch arteriell beim Lungengesunden also etwa 100 mmHg.
Eine nicht ganz zulässige Faustregel heißt: PAO2= 5 x FiO2
Mißt man den Sauerstoffgehalt in den Lungenvenen, also nach Passage der Alveolen und vor Extraktion durch Organe, so fällt auf, dass der gemessene Wert geringer ausfällt, als aus der Alveolargasgleichung zu erwarten wäre. Schuld daran ist ein Ventilations-/Perfusions-Mißverhältnis, Shuntvolumina und die lageabhängige Perfusion der Lunge, dargestellt im Modell der Zonen nach West.
Der weitere Abfall geschieht nun durch die Extraktion an Sauerstoff in den einzelnen Geweben, durch die Diffusion innerhalb der Gewebe und Zellen. Auf dem Niveau der Mitochondrien herrscht in der Regel ein Partialdruck von PmitoO2 = 10-12 mmHg. Der kritische Punkt, ab dem aufgrund von Sauerstoffmangel keine oxidative Phosphorylierung mehr möglich ist, wird Pasteurpunkt genannt und liegt bei etwa 1 mmHg.
Die kritische Perfusionsuntergrenze liegt dabei nebenbei bemerkt organ- und umständeabhängig bei etwa 4-8 ml/kg/min
Der durchschnittliche Sauerstoffbedarf VO2 des Erwachsenen in Ruhe (also Narkose) und Gesundheit liegt bei etwa 3,5 ml/kg/min. Ein Durchschnittsbürger mit 70 kg benötigt also etwa 250 ml reinen Sauerstoff pro Minute.
Rechnerisch vereinfacht sich das Sauerstoffangebot DaO2 z(“Delivery”) zu einem Produkt aus Sauerstoffgehalt des Blutes (CaO2 – “Content”) und Herzzeitvolumen (HZV).
DaO2 = CaO2 x HZV
Das Herzzeitvolumen errechnet sich aus Schlagvolumen (etwa 70 ml) und Herzfrequenz. Der Sauerstoffgehalt des Blutes ist abhängig vom Sauerstoffpartialdruck paO2, dem Hämoglobingehalt Hb, der Sauerstoffbeladung des Hämoglobins, repräsentiert durch die Sättigung SiO2 und die Hüfner`sche Zahl (etwa 1,34 ml O2/g Hb) und in geringem (an sich unter physiologischen Bedingungen vernachlässigbarem) Maße von der physikalischen Löslichkeit des Sauerstoffs. Es gilt:
CaO2 = 1,34 x SiO2 x Hb + 0,003 x paO2
Die Hüfner`sche Zahl in vitro errechnet sich als 1,39 ml/g, aufgrund des Vorliegens defizienter Hämoglobine (Methämoglobin, Carboxyhämoglobin) ist sie aber in vivo im Mittel 1,34 ml/g.
Übrigens, eine Sättigung von 100% ist zwar messtechnisch möglich, ist aber aufgrund von Shuntvolumina und Dyshämoglobinämie physiologischer Unfug und eher als asymptotische Grenze zu verstehen.
Der Normwert für den Sauerstoffgehalt beträgt etwa
CaO2: 18,6-20,4 ml/dl
Nun noch mit dem Herzzeitvolumen (HFxSV, SV ca. 70 ml) multipliziert (Achtung Einheiten! dl vs. ml beim Hb!), et voilà: das Sauerstoffangebot beträgt etwa
DaO2: ca. 1000 ml/ min
beim Erwachsenen und übersteigt damit den Ruhebedarf um das knapp 4fache… (und falls euch jemand fragt, die Sauerstoffextraktionsrate damit bei
O2ER = VO2/DO2 = 0,25
So, mir schwirrt der Kopf ein wenig, ich hoffe euch nicht zu sehr…
[…] das mit Akkumulation zu rechnen ist (Ultraschallvernebler bringens auf 90 g/m3) oder um z.B. die alveoläre Gasgleichung zu […]
Sehr gut erklärt, vielen Dank!
Das macht so einen Spaß zu lesen1👌😉😍