BOA reboot – Basics Tag 10 – Pharmakologie Inhalativa

Ein Inhalativum, zwei Inhalativa. Soweit so Neutrum. Inhalationsanästhetika dienen dem Erhalt, bei Kindern auch der Einleitung einer Narkose. Einzelne Substanzen braucht man in manchen Teilen der Welt in der ambulanten Analgesie (Methoxyfluran) oder zur Sedierung von Intensivpatienten (Isofluran und Sevofluran) im sogenannten Anaconda-Verfahren.

Was sind Inhalativa oder Inhalationsanästhetika? Es gibt zunächst zwei Gruppen: halogenierte Kohlenwasserstoffe und Gase.

  • Halogenierte Kohlenwasserstoffe also Flüssigkeiten mit niederem Siedepunkt, die wir mittels Gerätschaft als Dampf verabreichen wie Halothan, Enfluran, Isofluran, Sevofluran, Desfluran oder Methoxyfluran. Da es flüchtige Substanzen sind und wir auf schlau volatil sagen, wenn wir flüchtig meinen, sprechen wir hier auch von Volatila.
  • Dann gibt es Gase, eigentlich nur zwei: Stickoxidul oder Lachgas, also N2O und seit Neuerem das Edelgas Xenon, das aber aufgrund von Preis und aufwendigem Herstellungs- und Verabreichungsverfahren trotz vieler Vorteile aktuell noch kaum Einzug in den klinischen Alltag gefunden hat.
(teil)halogenierte Kohlenwasserstoffe als Inhalationsanästhetika

Um Inhalationsanästhetika zu verabreichen, brauchen wir spezielle Verdampfer (“Vaporen”) oder Injektionssysteme (“DIVA-Modul” Direct Injection of Volatile Anesthetics/Agents).

Bei den Injektionsanästhetika orientieren wir uns an gewichtsadaptierten Dosierungen, was tun wir bei den Inhalativa? Wir benutzen und messen die MAC (sprich: “Mack”). MAC steht hierbei für Minimale Alveoläre Konzentration (Achtung! MAC kann auch mal für “monitored anesthesia care” stehen!). Definitionsgemäss ist die MAC – damit meinen wir im Allgemeinen die MAC50 – die alveoläre Konzentration eines Atemgases gemessen als endtidale Atemgaskonzentration in Volumenprozent, bei der 50 Prozent der Patienten nicht mehr auf einen Hautschnitt reagieren.

Die MAC ist altersabhängig (Junge “brauchen mehr”, die MAC liegt also höher, Ältere und Kränkere, aber auch Schwangere und Intoxikierte brauchen weniger”, die MAC liegt also tiefer). Kombinieren wir z.B. zur Einleitung Propofol, Fentanyl und Muskelrelaxans, dann können wir weniger Inhalativum nehmen, als würden wir eine Mononarkose fahren – gleiche Wirkung, weniger Nebenwirkung durch Kombination. Top.

Müssten wir z.B. nur mit Inhalativa einleiten, dann läge laut Heck/Fresenius die MACintub für die Mononarkose etwa anderhalb mal höher als die übliche MAC50. Da läge dann auch die MACBAR – also die MAC mit “blockage of adrenergic response” oder “Blockade adrenerger Reaktionen”, einer Konzentration also, bei der Herzfrequenz- und Blutdruckanstieg trotz Licht und Schlauch im Hals ausbleiben. Der Vollständigkeit halber sei noch die MACawake genannt, bei der 50% unserer Probanden die Äuglein öffnen. Sie liegt bei etwa 0,3-0,5 MAC, also 30 bis 50 Prozent der MAC50. Oft genug zeigen uns moderne Beatmungsgeräte wie der Zeus von Dräger die MAC in Vol% und in Relation als altersadaptierte Zahl zwischen 0 und üblicherweise 1,5 an (Darüber wird man kaum gehen). Da steht dann halt für den 30jährigen gesunden Mann “DES 6,0% / 1,0 MAC” oder so.

MAC50 ohne Lachgas für gesunde Patienten mittleren Alters

Schaut Euch die Tabelle an und macht euch klar, dass MAC-Werte Volumenprozente sind. Damit macht 104 Vol% für Lachgas un der klinischen Realität keinen Sinn, Ich schieb nicht 4 Prozent mehr Atemgas rein, damit der Patient schläft. Das ist ein hypothetischer Wert. Soll heissen: Mit Lachgas erreichen wir keine ausreichende Narkosetiefe! Im Übrigen müsste man dann mit 100+ % auf Sauerstoff im Gasgemisch verzichten, was mit dem Leben auf Dauer eher nicht vereinbar ist, aber zumindest im Verlauf die Schmerzfreiheit und Amnesie garantiert. Spass beiseite, Lachgas dient als auch analgetisches Additivum in Narkosen, um gassparend narkotisierend zu können, denn: MAC verschiedener Inhalativa addieren sich. Desfluran 0,5 MAC + Lachgas 0,3 MAC entpräche Desfluran 0,8 MAC, theoretisch.

Dann schauen wir noch kurz aufs Xenon. 100 Prozent O2 wird schwierig, wenn 71% bereits Xenon sind. Soll heissen: Wo hohe Sauerstoffanteile notwendig sind, wie in Blutung, Schock oder Einlungenventilation, da kann ich Lachgas und Xenon eher nicht brauchen.

So, nun haben wir eine MAC-Tabelle und am Drägergerät hängen 2 Töpfe mit Sevo und Desfluran. Wie kommt das Inhalationsanästhetikum in den Patienten. Also: Beatmung läuft wie sie soll. Dann sich für einen Topf entscheiden, den aufdrehen und dazu den Frischgasfluss erhöhen – was wir tun ist folgendes: Wir sättigen den Luftraum in einer Verdampferkammer mit Inhalationsnarkotikum und erlauben dem Gasfluss das Ganze in den Patienten zu transportieren. Wenn es also schnell gehen soll: Topf aufdrehen, Gasfluss hochdrehen. Sind wir da angekommen, wo wir die MAC wollen, Topf ggf. korrigieren und Gasfluss auf low- oder minimalflow einstellen (also 0,5-1l/min). Am Zeus haut man einfach den Autodosierungsmodus rein und stellt die Sevokonzentration auf 0,7-1,0 MAC (nur beispielsweise), den Rest macht die Maschine.

Später lohnt der Blick auf die Theorie zum Erreichen eines steady-state-Zustandes und die theoretischen Hintergründe der Zeitkonstante Tau. Für den Einstieg genügt es völlig zu wissen, dass die Einstellung der steady-state Konzentration umso schneller vonstatten geht, je höher der Gasfluss über den Vapor und je weiter der Vapor aufgedreht ist. Geeicht sind die üblichen Vaporen auf 10 l Gasfluss. Heisst Rad auf eine Zahl mit 10 l Fluss, bringt steady state mit der gewählten Zahl in Vol% binnen einer Zeitkonstante. Allerdings in ziemlich gasverschwendender Art und Weise… wie das etwas sparsamer geht, lasst ihr euch am besten ein paarmal zeigen, so von wegen Fingerspitzengefühl und so… auch im Hinblick auf die Kreislaufreaktionen eurer Patienten.

So, grob dosieren können wir nun. Topf auf, Flow hoch und bumm, steady state. Topf zu, Flussrate hoch, zack wach. Dazwischen Topf offen und Fluss niedrig, dann bleiben wir auf einem stabilen Niveau. Ok?

Wie wirken unsere Inhalativa überhaupt. Letztlich sind`s vom Edelgas Xenon zu den mit 80er Haarspraytreibmittel verwandten halogenierten Kohlenwasserstoffen recht verschiedene Substanzen. Der genaue molekulare Mechanismus bleibt unklar. Vermutlich führt die Einlagerung in die lipophilen Anteile der Nervenzellmembran und die unspezifischen Interaktion mit Rezeptor- und Ionenkanalproteinen zu einer neuronalen Dämpfung. Aha.

Für die Prüfung muss man drei Regeln parat haben:

  • Meyer-Overton-Regel: Je lipidlöslicher, desto wirksamer ist ein Inhalationsanästhetikum. Mass hierfür ist der Öl/Gas-Koeffizient. Geht der hoch, geht die MAC runter. Das ist vereinfacht gesprochen wie bei den Injektionsanästhetika, was in den lipidreichen Nervenzellen wirken will, muss fettlöslich sein, um an den Wirkort zu kommen.
Meyer-Overton-Regel: Lipidlöslichkeit vs. MAC
  • Ferguson-Regel: Je höher der Dampfdruck, desto niedriger die Wirksamkeit. Und ja, Enfluran und Sevofluran sind hier Ausreisser mit ihren vergleichsweise niedrigen Dampfdrücken. Desfluran mit seinem niedrigen Siedepunkt und extrem hohen Dampfdruck von 669 mmHg benötigt übrigens genau deshalb einen speziellen Verdampfer/ Vapor!
Ferguson-Regel: Inhalationsanalgetika nach MAC geordnet vs. Dampfdruck
  • Je weniger unser Anästhetikum im Blut löslich ist, desto schneller kann es An- und Abfluten. Mass dafür ist der Blut-/Gas-Verteilungskoeffizient. In der Klinik haben Lipidlöslichkeit, Patientenkonstitution und Narkosedauer, bzw. Aufsättigung verschiedener Kompartimente (Fett, Muskulatur) zusätzlich Einfluss darauf, wie lang es vor allem am Ende dauert.

Also fettlöslich, wenig flüchtig und schlecht löslich in Blut muss das Ganze sein. Der Patient beeinflusst sein Einschlafen und Erwachen aber auch ganz erheblich. Unser Dampf oder Gas muss erstmal via Atemweg und Lunge in die Blutbahn, dann via Blutstrom Richtung Hirn und dort durch die Blut-Hirnschranke zum Wirkort und bei der Abflutung wieder retour. Umwege über Fettgewebespeicher und Muskulatur nicht mitgerechnet. Aber langsam:

  • Erstmal brauchen wir eine hohe Atemgaskonzentration. Je höher unser Dampfdruck, desto höher die erreichbare Konzentration z.B. im Inspirationsgas. Je höher unsere alveoläre Konzentration, desto höher die Differenz zum Blut, schneller erfolgt später die Aufnahme via Diffusion in die ja permanent abtransportierte Blutphase.
  • Damit wir aber Gas/ Dampf ins Blut diffundieren lassen können, muss erstmal Gas/ Dampf in die Alveole. Von jedem eingeblasenen Atemzug gibt es Anteile, die am Gasaustausch teilnehmen und solche, die nur in den Luftwegen rumpendeln. Letztere nennen wir Totraum. Üblicherweise beatmen wir mit 6-8 ml/kg für das Atemzugsvolumen. Die Literatur glaubt glücklicherweise, der Totraum sei für alle Altersklassen mit 2 ml/kg gleich. Ziehen wir also ein schwaches Drittel vom Atemzugsvolumen ab, dann bleiben zwei Drittel, die in der Alveole am Gasaustausch teilnehmen können. Multiplizieren wir diese mit der Atemfrequenz erhalten wir die alveoläre Ventilation. Alveoläre Ventilation (ml/min) = (VT-VD) * AF. In unserer Lunge bleibt in Relaxation, also sozusagen Atemmittellage ein Volumen zurück – die funktionelle Residualkapazität. Diese setzt sich zusammen aus dem Residualvolumen, das wir nie ausatmen können und dem expiratorischen Reservevolumen, das unser Patient mit Anstrengung noch ausatmen könnte, wäre er nicht relaxiert. In dieses Volumen von etwa 2,5 Litern beim Erwachsenen (35 ml/kg ca.) müssen wir analog zur Präoxygenation unser Gas erstmal in sinnvoller Konzentration einwaschen, zumal es ja dank Diffusion auch schnell aus den Alveolen via Blut abtransortiert wird. Also: eine FRC hat man halt, je grösser dieser Luftraum, desto länger dauert das Einwaschen von Gas oder Dampf, darauf haben wir zunächst wenig Einfluss. Die alveoläre Ventilation aber können wir beeinflussen: wenig über eine leichte Erhöhung des Tidal- oder Atemzugsvolumens, stark über die Atemfrequenz. Für uns ist also die alveoläre Ventilation – also der Anteil des Atemminutenvolumens, der tatsächlich diffusionsfähige Alveolen erreicht, ist die entscheidende Stellgrösse für schnelles Ein- und Auswaschen. Leichte Hyperventilation beschleunigt also das An- und Abfluten! Was merken wir uns? Kleine FRC und hohe alveoläre Ventilation beschleunigen An- und Abfluten! Das erklärt übrigens auch, warum wir bei Kindern mit Sevofluran gut inhalativ einleiten können: kleine FRC (um 25 ml/kg) und die aufgrund der sehr hohen Atemfrequenzen (um 20/min) hohe alveoläre Ventilation erlauben sehr schnelles Einwaschen und Anfluten!
  • Sind wir erstmal in der Alveole, wird diffundiert! Je grösser die Partialdruckdifferenz zwischen Alveole und Blut, je mehr Diffusionsfläche wir zur Verfügung haben und je kürzer unsere Diffusionsstrecke ist, desto schneller geht`s. Also wieder hohe inspiratorische Gasanteile, ein passabler Blutstrom, der durch Abtransport bis zum steady state die Differenz hochhält und eine jungfräuliche Alveolarwand helfen uns. Die Herzinsuffizienz mit der langen Kreislaufzeit und dem Lungenödem behindert die Einwaschung dann wieder. Ähnliches gilt für ARDS und Lungenembolie – wo kein Blut oder keine Diffusion, da keine Einwaschung.
  • Damit unser Inhalativum am Hirn ankommt, sollte es schlecht blutlöslich sein. Dann geht zwar wenig in Lösung, wird aber an der richtigen Stelle – cerebral – auch direkt wieder wirken können und “versackt” nicht in der Blutbahn. Ist man dann noch gut fettlöslich, hat also eine Affinität zu neuronalen Membranen wirkt man bei guter Steuerbarkeit mit vergleichsweise niedriger MAC sehr potent (vrgl. Desfluran vs. Xenon).

Nur als Nebenbemerkung: Im steady state gleichen sich nur die Partialdrücke in Blut und Gewebe, bzw. Blut und Alveole und Gewebe an. Die erreichte Konzentration ist dabei in den unterschiedlichen Geweben verschieden! Im Blut kann also zum gegebenen Zeitpunkt bei geringer Löslichkeit wenig Inhalativum gelöst sein, während im Gehirn bei identischem Partialdruck bei hoher Löslichkeit eine grössere Menge vorliegt!

Am Hirn gilt nun übrigens was auch an der Lunge gilt: Ohne Perfusion keine Wirkung. Allerdings bräuchte man ohne Perfusion hier auch nicht wirklich ein Anästhetikum. Die an der Lunge vorteilhafte Hyperventilation kann am Hirn durch die hypokapnische Vasokontriktion die Anflutung reduzieren. Klinisch darf man diesen Effekt angesichts der schnellen Anflutung gern ignorieren.

Soweit so schön. Und die Nebenwirkungen? (Der folgende Teil gehört nicht mehr zu den Basics!)

  • Fangen wir bei den schlimmen an. Alle halogenierten Kohlenwasserstoffinalativa sind Trigger für die maligne Hyperthermie. Damit fallen sie als Option bei entsprechender Disposition wie einigen genetischen Muskelerkrankungen aus (Lachgas und Xenon wären möglich).
  • Alle Inhalativa dämpfen den zentralen Sympathikotonus. Interessanterweise kann Desfluran aber gerade bei schneller Anflutung Episoden direkter adrenerger Stimulation auslösen. Halogenierten Kohlenwasserstoffe (vor allem Halothan aber NICHT Desfluran) bedingen eine relative Katecholaminsensibilisierung des Herzmuskels. Insgesamt gehen aber Sinusfrequenz, AV-Überleitungsgeschwindigkeit und Kontraktilität eher zurück. Der damit einhergehende geringere Sauerstoffbedarf kann für ein koronargeschädigtes Herz von Vorteil sein. Die proarrhythmogenen Nebenwirkungen mit AV-Dissoziation und Knotenrhythmen v.a. am vorgeschädigten Herz weniger.
  • Die direkte periphere vasodilatatorische Komponente ist bei Isofluran/ Sevofluran am ausgeprägtesten, aber bei allen Inhalativa bis auf Lachgas nachweisbar. Klinisch relevant wird dies vor allem im Rahmen der Einlungenventilation oder bei der Sectio. Pulmonale Shunteröffnung und ein Ausschalten der HPV, der hypoxischen pulmonalen Vasokontriktion, verschlechtern hier das Perfusions-Ventilationsverhältnis. Bei der Sectio kann es durch Tonusverlust und Vasodilatation zu atonen Blutungen kommen (oberhalb von 0,8 MAC verliert Oxytocin seine uteruskontrahierende Wirkung! Ergo: Atone Blutung in der Gyn: keine Inhalativa über 0,5(-0,7) MAC!). Die theoretisch erhoffte Luxusperfusion am Herzen durch geringeren Bedarf und Vasodilatation scheint durch primäre Shunteröffnung ohne Benefit für die Gewebeoxygenierung zu sein. Theoretisch sind eher an stenotischen Gefässen unter hochdosiert Isofluran steal-Phänomene durch Umverteilung möglich.
  • Alle Inhalativa reduzieren den Hirnstoffwechsel durch Dämpfung neuronaler Aktivität (ab 2 MAC heisst`s ausser beim Desfluran: “burst suppression”, Baby!). Dadurch sollte eigentlich der cerebrale Blutfluss (CBF) (autoregulatorisch) fallen. Dank Vasodilatation tut er das jenseits von 1,0 MAC aber nicht, sondern steigt eher. Damit steigt unter hochdosierten Inhalativa die Gefahr eines Hirnödems. Dank der Kreislaufdepression kann gleichzeitig der cerebrale Perfusionsdruck (CPP) fallen, insbesondere wenn der mittlere arterielle Druck unter 60 mmHg, also unter Autoregulationsniveau (50-150 mmHG) fällt. Nun, wo der Anästhesist wach ist, schläft der Patient gut.
  • Am Atemweg wirken alle Inhalativa im steady state dämpfend auf die CO2-Antwort, entsprechend fällt das Atemminutenvolumen, Atemwegsreflexe werden gedämpft und die Bronchien dilatiert. Das kann man sich im Status asthmaticus zunutze machen. Allerdings wirken die eher stechend riechenden Inhalativa bis auf Sevofluran primär atemwegsreizend, schnelles Anfluten z.B. via Larynxmaske kann Laryngobronchospasmen auslösen. Nur Sevofluran mit seinem milden/ süsslichen Geruch ist für eine inhalative Einleitung insbesondere am wachen Patienten geeignet! Alles andere macht übrigens im wachen Zustand vor allem eines: Gegenwehr!
  • Betrachtet man es metabolisch wäre ein ideales Inhalationsanästhetikum inert, würde unverändert ein- und ausgeatmet und interagierte nicht mit Stoffwechselprozessen oder Teilen unserer Maschinen. Xenon als Edelgas macht das weitgehend. Alle anderen nicht. Die Metabolisierungsrate unterscheidet sich stark je nach Substanz. Für uns sind 3 Entitäten relevant: Hepatotoxine, Nephrotoxine und CO – Kohlenmonoxid.
    • Hepatotoxisch wirkt vor allem Halothan. Durch Umsetzung zur hepatotoxischen Trifluressigsäure mit einer sehr hohen Metabolisierungsrate von 20% und immunologisch vermittelte Prozesse kommt es in 1:30000 Exponierten zu einer sogenannten Halothanhepatitis bis hin zur fulminanten Leberzellnekrose. Die Letalität liegt bei 20-70%. In den Industrieländern wird Halothan deshalb nicht mehr eingesetzt. Trifluressigsäure entsteht ebenfalls bei Desfluran und Isofluran. Hier allerdings beträgt die Metabolisierungsrate deutlich unter 0,1% bzw. 1%, so dass keine klinische Relevanz zu erwarten ist. Sevofluran wird zum mit der Trifluoressigsäure verwandten aber deutlich weniger hepatotoxischen Hexofluoroisopropanol umgesetzt. Auch hier ist mit Metabolisierungsraten um 2-5% keine klinische Relevanz gegeben. Interessant allerdings, weil diese wiederum glucuronidiert und renal ausgeschieden wird: Sevofluran ist das einzige Inhalativum, das einer Phase-II-Metabolisierung unterliegt.
    • Potentiell schieben übrigens alle halogenierten Kohlenwasserstoffe das CYP450-System an. Zumindest der Idee nach könnte man von einer relativen Kontraindikation bei Porphyrien ausgehen.
    • Nephrotoxizität: Potentiell nephrotoxische Fluoridionen entstehen bei Sevofluran und in geringerem Masse auch Desfluran. Zusätzlich bildet sich an trockenem Atemkalk sog. Compound A (und B-E) ein im Tierversuch an Ratten und Primaten im Sinne einer proximalen Tubulusnekrose nephrotoxisches Haloalken, das aber am Menschen keine klinische Relevanz zu haben scheint. Da der Wassergehalt des Absorberkalks und seine Beschaffenheit (v.a. an Bariumkalk entstehen besagte Metabolite) so wie die Gasflussrate (unter <0,5-1 l/min) relevant sind enthalten moderne Absorber Natriumkalk so wie herstellerseits eine Grundfeuchte. Im englischsprachigen Raum wird Sevofluran nicht für low- und minimalflow-Narkosen empfohlen (also unter 1, bzw. 0,5 l/min FG-Flow).
    • Kohlenmonoxidentwicklung – wieder am trockenen Atemkalk entsteht CO – Kohlenmonoxid. Dieses kann sich gerade bei geschlossenen Systemen oder minimal/low-flow-Bedingungen anreichern. Die Lösung entspricht der im Hinblick auf Compound A: feuchter Atemkalk, ggf. ausreichend hohe Gasflüsse.
metabolismusassoz. Nebenwirkungen
  • Lachgas ist ein Treibhausgas und trägt zur Aufheizung der Atmosphäre bei und polyhalogenierte Kohlenwasserstoffe schädigen die Ozonschicht
  • Lachgas hat mehrer Downsides: Erstens oxidiert es das zentrale Cobaltion im Cobalamin und inaktiviert Vitamin B12 und zerhaut uns damit die Erythro- und Leukopoiese. Zweitens ist es einfach sehr gut blutlöslich (etwa 30x besser als Stickstoff) und diffundiert ungleich schneller in luftgefüllte Hohlräume hinein, als Stickstoff und andere übliche Gase diese verlassen können. Entsprechend können sich Pneumothorax, Pneumozephalon oder das nach Augen-OP verbliebene kleine Luftbläschen hinter der Linse zügig zu relevanten diffusionsbedingten Problemen entwickeln. Das schnelle Ausgasen und die zur Narkose nötigen hohen Volumenanteile können hypoxische Gasgemische v.a. in der Ausleitung zur Folge haben, was entsprechende Expertise und Schutzvorkehrungen notwendig macht.

Und was nehm ich nu wann?

Die meisten von uns dürfen wohl nur noch zwischen Sevofluran und Desfluran wählen. Für die inhalative Einleitung bei Kindern gibt es nur eine Wahl: Sevofluran. Süsslich und nicht atemwegsreizend, zügig an- und abflutend. Wo wir keine Vene finden und der süsse Zwerg eher renitent ist: Sevofluran! Schreien erhöht Atemfrequenz und Atemzugstiefe, ergo beschleunigt es die Einleitung. Die potentielle Nephrotoxizität steht im Raum. Hinsichtlich des Emergence Delirs bei den Kleinen und der POCD bei den Alten scheint es keine signifikanten Unterschiede zwischen Desfluran und Sevofluran zu geben.

Desfluran hat den geringsten Blut-Gas-Koeffizienten, niedriger als Lachgas, damit flutet es sehr schnell an und ab. Schnelles Anfluten kann eine sympathicoadrenerge Reaktion und einen Laryngobronchospasmus auslösen. Dennoch wirkt es bronchodilatierend. Ob ein Asthmatiker von Desfluran profitiert hängt also vom sanften Umgang ab. Aufgrund der geringen Metabolisierungsrate scheint Desfluran theoretisch besser bei Hepatopathien. Da Sevofluran potentiell nephrotoxische Metaboliten bietet, wäre Desfluran bei Nephropathien der Vorzug zu geben. Da Desfluran keine Katecholaminsensibilisierung hervorruft ist es potentiell besser geeignet für Kardiopathien und Arrhythmien.

Übelkeitsauslösend sind unsere Dämpfe/ Gase bis auf Xenon alle. PONV-Anamnese spricht eher für i.v.-Anästhesie. MH-Disposition ist eine klare Kontraindikation ausser bei Lachgas.

Isofluran wirkt stark muskelrelaxierend und vasodilatorisch, sorgt aber für eine ausgeprägte Reflextachykardie. Das finden wir meist nur noch neben Sevofluran für die Intensivsedierung. Leider löst Isofluran Kunststoffe an und macht sie spröde, was den Alltagseinsatz mühsam macht, hier eignet sich Sevo besser.

Und ich? Ich differenziere nicht wirklich zwischen Sevofluran und Desfluran. Einzig für die Inhalative ist nur Sevofluran möglich und sinnvoll. Prinzipiell wäre Desfluran bei Leber-/ Nieren- und Herzinsuffizienz der Vorzug zu geben.

Lachgas ist gut analgetisch, schlecht hypnotisch und nicht muskelrelaxierend. Als Additivum findet es Verwendung. Downsides sind die Diffusionshypoxie und der Druckaufbau in luftgefüllten Hohlräumen, sein Vit B12-Effekt. In den meisten Kliniken die ich kenne ist es inzwischen weitgehend verschwunden.

Xenon ist vor allem eines: teuer und knapp. Analog dem Lachgas diffundiert es schnell in luftgefüllte Hohlräume mit entsprechender Druckproblematik. Die hohen Fraktionen bedingen die Gefahr hypoxischer Gemische und machen es für Schock, etc. ungeeignet. Ansonsten ist es analgetisch wirksam, stärker noch als Lachgas, wohl v.a. über NMDA-Interaktion. Seine Fliesseigenschaften erhöhen Atemwegswiderstände und machen es potentiell problematisch für Lungenerkrankungen. Chemisch inert und sehr gut steuerbar bei schnellstem An-/Abfluten machen es sonst zu einem idealen Inhalativum.




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