BOA reboot – Basics Tag 1: Maskendingens

Dein erster Tag als Anästhesist im OP! Glückwunsch. Ok, vielleicht auch als PJ, Uhu, etc… immerhin sowas mit Arzt. Und im geilsten Fach der Welt.

Du bringst beste Voraussetzungen mit: hast immerhin mal alleine den Weg in Umkleide und OP gefunden und Dich selber angezogen. Hast Haube und Mundschutz richtig rum auf und weisst trotz erster Nervosität noch deinen Namen. Fantastisch! Legen wir los:

Bevor du jetzt allzu heldenhaft wirst und am Ende gar willentlich und gezielt ein Loch in den Patienten machst (z.B. als perfekt gelegte Venenverweilkanüle) stellt man Dich erstmal ab. Neben den Kopf. Also da, wo der grosse graue Kasten mit dem überfrachteten Bildschirm steht und piepst. Der Patient schaut etwartungsvoll, dann etwas verwirrt, weil du die stumme Kaulquappe mit den Kuhaugen gibst. Ok, erster Tag. Die Anästhesiepflege beäugt Dich argwöhnisch, ob Du nicht erstmal alle gerichteten Medikamente mit dem Hintern abräumst, aber Du stehst günstig. Der OA schnappt sich die Einleitungsmedikamente und beginnt kryptisches Zeug von Denitrifikation und Präoxygenation herunterzubeten. Du hörst nur “Präoxygenier mal!” und jemand drückt Dir mit den Worten “C-Griff, weisst schon, schön dicht halten.” die Maske in die Hand. Da fängt es schon mal an, die Maske… C-Griff. Präoxygenation als physiologisches Thema kommt ein anderes Mal dran, hier geht es erstmal um die Praxis.

Was ist wichtig? Präoxygenation in weitgehender Spontanatmung, aber auch die Maskenbeatmung vor der Intubation, während wir die Anschlagszeit unseres Muskelrelaxans abwarten, geschieht in der Regel auch heute noch von Hand. Mit Maske und Beatmungs- oder Reservoirbeutel. Im Notfall oft genug mit dem berühmten AMBU®-Beutel. Zu dem kommen wir aber zum Schluss.

Solange unser Patient friedlich spontan atmet und seine Atemwege vermittels Tonus selbst offen hält, ist Präoxygenation etwas einfaches. Wir stellen den Frischgasfluss auf z.B. 8 Liter und den Sauerstoffanteil auf 100 %. Der Patient atmet selbständig durch Mund oder Nase und wir halten die Maske einfach dicht auf selbige. Dicht, damit nicht die 78% Raumluftstickstoff unser Ziel, das Sauerstoffdepot in der Lunge, bereits mit einem Nebenluftatemzug zunichte machen. Soweit, so schön. Wenn es bereits hier schwierig wird, weil unser Patient beispielsweise einen dicken Bauch oder die Patientin riesige und schwere Brüste hat, die in Rückenlage zusätzlich wegzuatmendes Gewicht auf dem Brustkorb sind, kann Oberkörperhochlagerung schon einiges verbessern. Manchmal hilft ein wenig PEEP (z.B. 5 mbar, denn “5 PEEP ist kein PEEP”, auch davon in Bälde mehr) den wir über das sogenannte APL-Ventil oder direkt über den CPAP-Modus, ggf. auch mit Druckunterstützung anwählen. (Nein, das brauchst du grad nicht zu wissen!). Gegenwehr bei Demenz kann manchmal recht schwierig sein, auch das kein Thema für den Anfänger.

Wenn unser Patient nun einschläft, bedeutet das anders als im heimischen Bette, dass er auch mit dem Atmen aufhört. Opioide und Relaxantien, teilweise auch die Narkotika, sicher aber eben ihre Kombination wirken atemdepressiv. Also muss jemand diese Atmung ersetzen – Du! Denn Du hast den Beutel in der Hand! Der Erste Merksatz ist auch gleich ein Set-back: “Maskenbeatmung ist eins vom Schwersten!” – bis man das gut kann, dauert`s. Das frustriert ein wenig am Anfang, wenn überall Luft raus-, aber nicht da reinkommt, wo sie müsste – in die Lungenflügel. Da soll sie nämlich hin und zwar so, dass wir sehen, dass sich beide Hemithoraces gleichmässig heben und senken und idealerweise eine CO2-Kurve herausspringt.

Wie macht man das? Also zuerst wird – intakte Halswirbelsäule vorausgesetzt, der Kopf etwas in den Nacken gedreht. Weil man dabei das Kinn etwas anhebt, spricht man von “Chin lift”. Dabei strafft man die kollaptischen Atemwege so, das pharyngealer Muskelschlauch und Zunge den Atemweg wieder freigeben. Wir emulieren also den Tonus, den der Schnarcher oder oSAS-Patient auch im Alltag nicht hat. Wir halten unsere Maske am Anschlusskonus (das Runde obendrauf!) im sogenannten C-Griff, indem wir den Konus mit Daumen und Zeigefinger umfassen. üblicherweise mit der linken Hand. Der kleine Finger liegt am Kieferwinkel, Ring- und Mittelfinger liegen entlang des Kiefers und Heben das Kinn leicht an. “Liegen” heisst “liegen”, nicht hineinbohren! Die Fingerspitzen müssen weder Krater noch Druckstellen hinterlassen! So ein Mundboden ist ein schmerzreicher Geselle, also ausnahmsweise mal sanft sein!

C-Griff: mit Daumen und Zeigefingter fasst man den Maskenkonus
Chin lift: Das Kinn anheben öffnet zumeist den Rachenraum zur Beatmung

Die rechte Hand hält übrigens den Beatmungsbeutel und schraubt am APL rum. APL heisst hier “adjustable pressure level” -Wir steuern an diesem Ventil also den Druck, den wir maximal aufbauen können. Den stellen wir auf 15 bis 20 mbar. Nicht mehr, weil sonst der Verschlussdruck des oberen Ösophagussphinkters von etwa 20 mbar erreicht wird und wir solange fleissig den Magen aufblasen, bis der seinen eventuellen Restinhalt wieder in unsere Richtung ausspuckt. Also eher so nö. APL auf 15 bis 20 mbar heisst also, wir können Luft in die Lunge leiten, ohne den Magen wesentlich aufzublasen.

Das geheimnisvolle APL – (“adjustable pressure level”) Ventil

So ein üblicher Atemzug liegt bei 6,3 ml Luftgemisch pro kg Idealgewicht, also selten bei mehr als 500 ml. Deshalb nicht beherzt den ganzen Beutel auspressen und Oma und Opa aufblasen wie einen Frosch im Sommer, sondern mit Blick auf die Messungen der Atemvolumina auf dem Bildschirm etwa auf 450 bis 550 ml Atemzugvolumen eintitrieren. Das Atemzugsvolumen oder Tidalvolumen steht meist als VT auf dem Bildschirm.

Jetzt nur noch den eigenen nervösen Pumprhythmus auf physiologische Atemfrequenzen runterbringen. Jeder, der anfängt beatmet erstmal viel zu schnell. 10 bis 14 Atemzüge beim Erwachsenen pro Minute sind genug. Das heisst, wenn man wollte, könnte man sanft auf den Beutel drücken und dann auf fünf zählen und man wäre etwa richtig unterwegs.

Klingt einfach, ist es aber nicht. So ein Gesicht ist ja eher ein individuelles Stück Anatomie mit Höhen und Tiefen, die nicht immer zur Standardmaske passen. Verschiedene Formen und Grössen sorgen für bessere Passung. Die bekanntesten sind die vorgeformeten Masken von Laerdal® oder AMBU® mit Nasensteg. Es gibt runde Masken oder vorgeformte Masken mit besonders kleinem Totraum, wie die Rendell-Baker-Masken, die sich v.a. der kindlichen Anatomie/ Physiologie besser anpassen. Man kann gerade beim kleinen Gesicht, auch beim alten Menschen versuchen, ob die Maske umgedreht mit Nasensteg zum Kinn zeigend, eventuell besser zu dichten ist.

Verschiedene Maskentypen, die unten rechts zu sehende Maske dient der Sauerstoffgabe im Rahmen z.B. von Bronchoskopien oder wachfiberoptischen Intubationen.

Eingefallene Backen und fehlende Zähne machen hier aber das Abdichten oft fast unmöglich. Ein Vollbart dito. Zur Not steigt man auf zweihändiges Beatmen um. Heisst, ein anderer schnappt sich den Beutel und beatmet, während Du versuchst, Gesicht und Maske zur Passung zu bringen. Also sanft, gell, Anmodellieren meint hier nicht Passung durch rabiate Veränderung der gegebenen Anatomie. Mancherorts empfiehlt man ggf. Zahnprothesen – so sie fest sitzen – zu belassen. Hier gibt es eventuell Verletzungen, Beschädigungen oder ein Abtauchen der Zähnchen nach tracheoösophageal zu befürchten. Mit einer Backentamponade mit Mull sieht es da ähnlich aus. Den Bart kann man versuchen, mittels eines Stückes Plastikfolie, in das man mittig ein Loch macht, abzudichten.

Ein weiteres Verfahren zur Beatmungsoptimierung ist der ESMARCH-Griff. Hier greift man mit beiden Händen an den Kieferwinkel und zieht den Unterkiefer beherzt nach vorne oben. Effektiver und schmerzhafter als beim Chin lift, kann man hier eine weitere Öffnung des kollaptischen Rachenraums erreichen.

beherzt ESMARCHen befreit – den Atemweg

Manchmal helfen Lagerungskissen unter dem Hinterhaupt, oder man nimmt sie, wenn schon da, heraus. Lageänderungen des Kopfes helfen oft genug. Am häufigsten sinkt man aber vor lauter C-Griff und Dichtigkeit mit dem Kinn ab und wer dem Patienten unabsichtlich ein Doppelkinn macht, merkt schnell, damit atmet es sich nicht so super. Also Kinn hoch, “Schnüffelstellung” auch beim Erwachsenen und meist geht`s besser mit dem Beatmen via Maske.

Güdel- oder Wendeltuben können beim Beatmen helfen. Diese schienen den Atemweg und halten z.B. die Zunge in einer Position, die sie von der Rachenrückwand fernhält (Güdel) oder liegen gleich entlang der Rachenhinterwand (Wendel). Immer dran denken, Fremdkörper können zu Verletzungen führen. Gerade so ein ungegelt und rabiat vorgeschobener Wendeltubus, den man durch eine trockene Nase drückt, kann gern mal eine Concha in der Nase abscheren, was in der Regel mit wüsten und blöd erreichbaren Blutungen einhergeht. Darüber freut sich allenfalls der ligierende HNO-Beleger. Ein nicht im rechten Winkel zur Gesichtsebene eingeführter Wendel läuft dann auch mal nicht über das Rachendach, sondern aufwärts Richtung Lamina cribrosa und vordere Schädelgrube. Also Glitschi dran und sanft entlag des Rachendaches im rechten Winkel zu Hauptebene des Gesichtes einführen. Den Güdel dreht man erstmal so, dass seine Konkavität (Hohlheit… ) nach kranial zeigt. Erstmal an der Zunge vorbei, dreht man ihn beim Erwachsenen in Position, wo er die Zunge sozusagen wegschient. Nebenbei sollte man das tunlichst unterlassen, wenn die Schutzreflexe auch nur halbwegs intakt sind, denn gern führt sowas zu Erbrechen! Bei den Zwergen bitte ohne Drehung und über einen Spatel einführen, der die Zunge etwas wegdrückt. Güdel blind ins Kind drehen macht meistens hässliche Verletzungen von Zunge und Mundschleimhaut.

Wendeltubus
Güdel-Tubus

Nur der Vollständigkeit halber, Larynx- oder Kehlkopfmasken subsummieren wir nicht unter Maskenbeatmung, sie dienen als sogenannte “supraglottische Atemwegshilfen”, also solche, die über und nicht zwischen den Stimmlippen liegen, als höhergradige Atemwege, auch wenn sie nicht aspirationssicher sind. Auch hier muss man eine Druckbegrenzung von 15 bis 20 mbar einhalten, denn man könnte den Ösophagussphinkter öffnen und den Magen insufflieren. Pressure Controlled Ventilation ist oft Verfahren der Wahl. Aber dazu viiiiel später. Die Larynx”maske” jedenfalls liegt auf dem Introitus laryngis in zarter Cohabitation mit der Epiglottis und stützt sich mit einem luftgefüllten Polster an der Rachenwand ab, mit der sie leidlich dichtet.

Larynx-“Maske”

Wenn man das ganze Gemäskel im Notfall machen muss, dann bedient man sich meist eines AMBU®-Beutels mit AMBU®-PEEP-Ventil, Reservoir, Sauerstoffanschluss und Maske.

Maske an den Filter oder den Beutel anschliessen. PEEP durch Drehen an der Kappe des PEEP-Ventils wählen (meist 5-10 mbar), Sauerstoff an Flasche oder Wandanschluss mit Druckreduktionsventil aufdrehen und man hat passable Bedingungen geschaffen. Ohne Reservoir kriegt man übrigens kaum sinnvolle FiO2 hin.

AMBU®-Beute mit AMBU®-Ventil

Kurze Eingriffe lassen sich beim Nüchternen prima in Maskenbeatmung, bzw. -narkose erledigen. Voller Magen und Magenverschlussanomalien verbieten das zwecks Aspirationsrisiko. Druckvolle Maskenbeatmung bei Mittelgesichtsfrakturen ist auch keine so gute Idee. Da kommt dann gern mal mehr sprichwörtliche Luft im Schädel oder den Orbitae an, als einem und den Infektiologen lieb ist. Sanft bleibt die Devise. Insofern sanften Einstieg!




Ein Kommentar

  1. […] Die super Website „Basics of Anesthesiology“ (BOA) startet gerade mit „Reboot“ eine Reihe von sehr guten Basis-Artikeln. Zielgruppe sind primär junge Anästhesistinnen und Anästhesisten, aber sonstige Atemwegs-Interessierte, Studis, Anäs-Pflegekräfte und viele andere können von dem locker rübergebrachten Wissen profitieren; hier z.B: der Artikel zu „Basic-Maskendingens“: https://boa.coach/2023/07/19/boa-reboot-002-basics-maskendingens/ […]

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