Medizinklassiker & Gomeröses

Wer jetzt bei Klassiker ‘Larsen’ oder ‘Sobotta’ sagt, wird erschossen… mir ist aufgefallen, dass wir hier Samuel Shem und Oscar London bisher ungenügend Ehre erwiesen haben. Und bevor Du dich selbst befleckst und auf ewige Zeiten mit der Frage diskreditierst, wer das sei, kommen wir Dir zuvor:

Samuel Shem ist Autor des Kultklassikers ‘The House of God’, das den Wahnsinn medizinischen Seins auf so vielen Ebenen behandelt, dass es auch über 40 Jahre nach seiner Veröffentlichung noch fleissig von Studenten, Assistenten und OA gelesen wird. Dabei folgt man dem Assisten Roy Bash auf seinem Weg durch’s erste Jahr klinischen Wahnsinns und nimmt nebenbei die Weisheiten und Kategorisierungen des ‘Fat man’, seinem OA wie z.B. die Regeln des House of God mit. Und sind wir ehrlich, jeder hat’s gelesen, jeder kennt die “LOL in NAD” (little old lady in no actual distress) und den “GOMER” (get out of my emergency room), wir alle wissen, dass sie fallen, dass sie nicht sterben und dass man sie nicht wässern darf. Warum passt das alles so gut? A, weil sich nichts ändert in der Medizin und B, weil Samuel Shem ein Pseudonym für den Autor und Psychiater Stephen Joseph Bergmann ist, der sich sein eigenes Assistententrauma damit von der Seele schrieb, also sozusagen aus dem Vollen schöpft.

Also, wer’s noch nicht hat, kaufen und wer’s als Student las, wieder lesen. Ich musste nämlich feststellen, man findet sich immer wieder in anderen Rollen wieder… mal als Roy, später als Fat Man, in meinem fall inhaltlich wie physisch.

Samuel Shem – The House of God (1978)

Und wie könnte es anders sein, hier die Mutter aller Kitteltaschenbücher:

The Rules of the House of God:

  • Gomer sterben nicht.
  • Gomer gehen zu Boden.
  • Bei Herzstillstand zuerst den eigenen Puls fühlen.
  • Der Patient ist derjenige, der krank ist.
  • Zuerst an Verlegung denken.
  • Es gibt keine Körperhöhle, die nicht mit einer 14er Kanüle und einem sicheren, starken Arm erreicht werden kann.
  • Alter + Serum-Harnstoff = Lasixdosis
  • Sie können dich immer noch mehr quälen.
  • Die einzige gute Aufnahme ist eine tote Aufnahme.
  • Wenn Du keine Temperatur misst, stellst Du auch kein Fieber fest.
  • Zeige mir einen Studenten, der meine Arbeit nur verdreifacht, und ich werde ihm die Füße küssen.
  • Wenn der Radiologieassistent und Student beide auf dem Thorax etwas Auffälliges sehen, kann dort nichts Auffälliges sein.
  • Die beste ärztliche Betreuung besteht darin, so wenig wie möglich zu tun, davon aber reichlich.

Für Puristen im Original

  • Gomers don’t die.
  • Gomers go to ground.
  • At a cardiac arrest, the first procedure is to take your own pulse.
  • The patient is the one with the disease.
  • Placement comes first.
  • There is no body cavity that cannot be reached with a #14G needle and a good strong arm.
  • Age + BUN = Lasix dose.
  • They can always hurt you more.
  • The only good admission is a dead admission.
  • If you don’t take a temperature, you can’t find a fever.
  • Show me a BMS (Best Medical Student, a student at The Best Medical School) who only triples my work and I will kiss his feet.
  • If the radiology resident and the medical student both see a lesion on the chest x-ray, there can be no lesion there.
  • The delivery of good medical care is to do as much nothing as possible.

Die “14#/strong arm”-Regel hört man dauernd, ich liebe noch die Zebraregel “If you hear hoof beats, think horses, not zebras” für die Studenten, denen immer erst das Koryphäenzeugs einfällt, statt dem banalen Schnupfen.

Ein gänzlich anderer Ansatz, etwas feinsinniger und internistischer, aber genauso lesenswert ist Oscar London “Kill as few Patients as possible and fifty-six other essays on how to be the world’s best doctor.” Auch Oscar London ist ein Pseudonym, diesmal für den leider 2021 verstorbenen Internisten Dr. Arlan P. Cohn, der den San Francisco Chronicle mit seinen Essays bereicherte.

Oscar London MD – Kill as few Patients as possible (2008)

Und beim Rumsurfen bin ich wieder auf den GGC – den Glasgow Gomer Scale, der uns als PJler in ‘LaGOMERa’ im Karlsruher Umland zynisch lachend über Wasser hielt. Bitte nicht zu ernst nehmen.

Und erwähnenswert sind noch das O-/Q-Zeichen, bzw. Non-O/O/Q-Klassifikation (sprich ‘Nonno O-Q’). Die eignet sich auch für die Klassifikation studentischer Ahnungslosigkeit.

  • °1 – Mund geschlossen
  • °2 – Mund permanent geöffnet
  • °3 – wie °2 nur mit seitlich heraushängender Zunge

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