Dosisverwirrung

Ich mache ja gerade einen Strahlenschutzkurs, genaugenommen den zum Sachverständigen Durchleuchtung im Nieder-, Mittel- und Hochdosisbereich und sind wir ehrlich, die Zeit, in der ich voller Freude die Einheiten der Elementarladung und die Masse von Protonen auch nachts um zwei vor mich herflöten konnte, sind lange vorbei. Bindungsenergie und Orbitalmodelle hab ich mal gehört und lange vergessen. Zumindest liegen die letzten Gedanken daran leicht verstaubt im Schrank zum Physikumsinhalt… nun kommt man ja in der Praxis nicht um die Strahlenschutzkurse rum – ehrlicherweise Gottseidank, denn auch ich hab mal wieder merken dürfen, nicht alles, was Usus ist, ist auch richtig und sinnvoll und manches skotomisiert man einfach oder muss es zumindest adaptieren. Übrigens schreib ich das nur, um mich von der Nervosität vor der Prüfung abzulenken. Sorry.

Womit ich aber immer wieder kämpfe, sind die Dosisbegriffe “absorbierte Dosis – Äquivalenzdosis – effektive Dosis” und die dazugehörigen Einheiten Joule, Gray und Sievert, so wie die assoziierten deterministischen und stochastischen Risiken. Wer hier schon aussteigt, ich kann es euch nicht verübeln. Ein etwas leichtmütigerer Artikel findet sich hier.

Also, irgendwo entsteht Strahlung – Das können Teilchen oder elektromagnetische Wellen sein (unsere typische Trias sind Alpha-, Beta- oder Gammastrahlung, also Heliumkerne, Elektronen oder Protonen und eben Gammaquanten oder Photonen. Die Neutronenstrahlung überlassen wir den Kernforschern. Unsere 3 Strahlungstypen transportieren Energie [E]. Üblicherweise messen wir Energie in Joule… ich kenn das v.a. von Kekspackungen als kJ/100 g oder kcal/ 100 g… die mir im Dienst merklich Energie liefern, leider v.a. auf die Speichereinheiten der Hüfte. Nun rechnen wir ja hier mit der absorbierten Energie – also der Menge Energie pro Körper – also z.B. Kekse pro Michel – entsprechend mit Joule pro Kilogramm, was der Physiker bei dee Strahlungsenergie nun Gray (Gy) nennt.

aufgenommene/ absorbierte Energie in Gray = Joule pro kg

Strahlenschutztechnisch interessiert uns die Wirkung dieser Strahlungsenergie. Das sind neben den erwünschten bildnerischen biologisch betrachtet v.a. unerfreuliche Nebenwirkungen im Sinne der Ionisation von Gewebeatomen/ Molekülen mit entsprechender wiederum biologisch folgenreicher Radikalbildung und DNA-Schäden, die uns am Ende Dysfunktion, Apoptose und Cancerogenität bescheren. Das Ausmass dieser physikalisch, dann biologischen Wirkung ist von Strahlungstyp zu Strahlungstyp unterschiedlich. Soll heissen, der Transfer von Energie und die entstehenden Wirkungen unterscheiden sich im Ausmass der Ionisierung und dem Durchdringungsvermögen je nach dem, ob ein Heliumkern durchs Gewebe walzt, ein Proton reindonnert, ein Elektron vorbeirauscht oder ein Gammaquant durchflitzt. Dieser schönen Wirkungsdifferenz tragen wir wie so oft in der Physik mit Korrektur- oder Wichtungsfaktoren Rechnung. Für Wellenstrahlung (also auch unser Geröntge) ist dieser Faktor wunderbarer weise 1 (Heliumkern: , Elektron: , Positron:, ). Damit wir auch wahrnehmen, dass wir hier gewichtet haben, ändert sich die Einheit und aus Gray (Gy) wird Sievert (Sv) und aus aufgenommener Dosis wird – weil wir Strahlungsarten abgleichen die abgeglichene oder Äquivalenzdosis.

Äquivalenzdosis in Sievert = nach Strahlungsart gewichtete absorbierte Dosis (>> deterministisches Risiko “Sammelschaden”)

Betrachten wir nun erstmal die Risiken. Deterministische und stochastische Risiken werden unterschieden.

Deterministisches Risiko heisst, wenn ich nur genug Strahlung reinbrutzeln lass, entstehen durch Dosisakkumulation Schäden, die sich aufsummieren und ab einer Schwellendosis einen Organschaden hinterlassen. Genug freie Radikale zerfressen mir auf Dauer Haut und Haar(wurzeln), plätten die Stammzellen und machen die Linse trüb. 20 Minuten volle Sonne machen Hautrötung und Aua.

Stochastisch hiesse, es geht ein bisserl zu wie beim Russischen Roulette – zerschiesst mir mein Gammaquant die Doppelhelix oder nicht? Eine Akkumulation ist hier nicht das Thema, denn es geht um niedrige Dosen über die Zeit und um Zufallstreffer. Entsprechend gibt`s auch keine Schwellendosis – ein Schuss reicht theoretisch. Wir können allenfalls ein vermutetes relatives Risiko für stochastische Schäden angeben. Z.B. 5% Wahrscheinlichkeit für eine Krebserkrankung pro Sievert oder 0,2% pro Sievert für eine weiterzugebende Mißbildung. 5%/Sv heisst ja dann auch, es wird ein linearer Zusammenhang für stochastische Schäden angenommen. Jeder Sonnenbrand hat ein Hautkrebsrisiko.

Die Äquivalenzdosis ist das Mass für unsere deterministischen Risiken. Gray über die Zeit mit Schwellenwert. Unsere Gewebe sind unterschiedlich strahlenempfindlich – u.a. abhängig von ihrer Teilungsfreudigkeit (in der Metaphase trifft man die aufspiralisierten Chromosomen in der Äquatorialebene halt auch viel besser – wer selten Metaphasen der Mitose bietet, ist halt ein lahmes und schlechtes Ziel…). Soll heissen, selbe absorbierte Dosis, selbe Äquivalenzdosis und Knochen reagiert anders als hämatopoetische Stammzelle. Deshalb gibt`s wieder einen Wichtungsfaktor – diesmal für`s Gewebe und aus unserer Äquivalenzdosis wir die effektive Dosis, auch wieder in Sievert (Sv)

effektive Dosis in Sievert – nach Gewebeempfindlichkeit gewichtete und strahlungstypgewichtete absorbierte Dosis (>> stochastisches Risiko “Zufallstreffer”)

Ja, und morgen hab ich`s auch wieder vergessen. Sei`s drum.

Ich hab übrigens bestanden…

  • absorbierte Dosis [Gy] Joule/kg
  • nach Strahlenart gewichtete Äquivalenzdosis [Sv] – ‘biologische Wirkung’
  • nach Organempfindlichkeit gewichtete effektive Dosis [Sv] – ‘radiologisches Risiko’

übrigens so’n Thoraxbild sind ca. 20 mcSv, soll heissen bei 5%/Sievert kriegt theoretisch 1 in 100000000 (1 Mio) Gräbbs…

Ein Kommentar

  1. so brillant, ja kenne ich, vom hausärztlichen Rahmen her, den Strahlenschutzkurs, wobei diesen Christian, mein Mann und die MPAs besuchten…. unglaublich, was man alles ” auf dem Schirm” haben muss…. glg Eveline

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