Ich bin ja bekanntermaßen ein Freund einfacher Merksätze, Eselsbrücken und eben: Akronyme. Und MIST ist mal wieder so eines, das sicher in anglophonen Ohren besser und eher so nach Meer und Brise klingt, als für den deutschen Arzt und Bauern, der eher seine Kühe im Blick, nein, in der Nase hat. Aber gut… lassen wir das.
Man verhaspelt sich ja gern mal im Eifer des (notärztlichen) Gefechts, warum sich dann nicht à la ATLS-ABCDE auch bei der folgenden Übergabe im Schockraum ein Akronym gönnen, vor allem, wenn es so ein Schönes ist. Also rein in den Schockraum zur Übergabe in Ruhe, denn nach dem ATLS „hands-off hand-over“… schon wieder so ein schöner Begriff in Doppelalliteration 😊 ho-ho… wollen wir erklären, was so passiert ist und was so dabei rauskam – Mist nämlich:
- MIST:
- M – Mechanism of trauma & time (Mechanismus & Zeitpunkt)
- I – Injuries found or suspected (vermutete oder stattgehabte Verletzungen)
- S – Symptoms & Signs (Symptome und Hinweise für Verletzungen)
- T – Treatment initiated (erfolgte/ begonnene Behandlung)
Erfahrungsgemäß fallen viele der typischen Zeichen (S) unter den Tisch. Viele heißen dabei so schön und sind deshalb an sich gut merkbar: „racoon eyes“ – „Waschbär- oder Pandabrille“ also ein Brillenhämatom für Mittelgesichtstraumata, Monokelhämatome, Rhino- und Otoliquorrhoe und so viele mehr.
Aber eben, wenn wir wirklich eine saubere Übergabe wollen, dann braucht es doch etwas mehr Info, wenn wir sie denn haben:
M – mechanismus: 35jährige Patientin die als Fahrerin eines Kleinwagens gegen 17 Uhr im Rahmen eines Verkehrsunfalls bei geschätzt 70 km/h frontal mit einem auf ihre Spur geratenen PKW kollidierte. Airbags ausgelöst, ca. 40 cm frontale Deformation (idealerweise mit Foto). Kein Kopfanprall ausser im Airbag, keine Bewusstlosigkeit, keine Anmnesie. Unklare Rhinorrhoe ohne primäre Blutung.
I – injuries/ S – signs: Primäre Kontusionen/ Exkoriation Gesicht, mögliches HWS-Distorsionstrauma ohne sensomotorische Defizite. Exkoriation im Bereich der Stirn und des Kinns nach Airbagkontakt, Schmerzen im Bereich der HWS ohne Ausstrahlung, Parästhesien, neurologische Ausfälle. Stiff-neck angelegt bei V.a. auf mögliche whiplash-injury/ HWS-Distorsionstrauma “Schleudertrauma”. Gurtmarken und lokale Druckdolenz im Bereich des oberen linken throakalen Quadranten, Thorax stabil, auskultatorisch seitengleich belüftet, SiO2 ohne Sauerstoff bei konstant 97%, Atemfrequenz 22/min. Auffallende Palpitationen/ VES im EKG. Tachkardie bei 120/ min, RR stabil bei 120/60 mmHg. Abdomen mit 5x 10 cm Gurtmarke im rechten Unterbauch, hier Druckdolenz ohne Defense, Abdomen insgesamt weich, sonst indolent, flanken frei, Becken stabil, alle 4 Extremitäten spontan bewegt und indolent. Periphere Pulse an allen 4 Extremitäten allseits tastbar und seitengleich.
T – treatment: Anlage stiffneck, 2l O2 via Naasenbrille initial, sistiert bei anhaltend guter Sättigung, 2x 18G Venüle je kubital, 500 ml Ringer Lactat, Analgesie nicht gewünscht. Transport.
Nur ein hingehudeltes Beispiel. Am Ende dran denken: ABCDE und halbwegs zielführend & zusammenhängend, zur Not auch nur 3x Was. Was ist passiert? Was hab ich gesehen/ gehört/ getastet? Was hab ich gemacht?
PS Philip war so lieb, mich auf die tonal angenehmere Version der ETC hinzuweisen:
ATMIST:
- A: age & gender
- T: timing (Unfallzeitpunkt & Ablauf Rettung/ Transport)
- M: mechanism
- I: injury
- S: signs
- T: treatment
Danke und Grüße nach Hamburg
Eine gepflegte Übergabekultur ist ein wesentlicher Faktur für die Patientensicherheit und den Informationsfluss.
Eine Erweiterung des MIST Schema kennen die ETC Vertreter (ja, das europäische Buchstabenkurs Pendant zum ATLS) unter
ATMIST
A: age (&gender)
T: timing (wann fand der Unfall statt, nötige Zeit für die Rettung&Transport).
Liebe Grüße aus Hamburg