
Es soll ja Zeug geben, das ist so grundlegend, dass man nie darüber spricht und wenn man dann muss, dann weiss man`s doch nicht wirklich, deshalb: banal und doch immer verbaselt: Wasseranteil, EZR, IZR, Interstitium und IVR:
Der Mensch besteht zu etwa 2/3 aus Wasser, gern schreibt man näherungsweise 60 Prozent. Dieser Anteil ändert sich mit dem Alter und der Umgebung, man denke an Ötzi und den zugehörigen sublimativen Gefrierbrand, i.e. Trocknung… aber wir reden von intravitalen Verteilungen, ergo bestehen Lise Müller und Boris Kazmarzov in guter Näherung zu Pi mal Daumen 60% aus Wasser.
Wasseranteil Mensch 60%
Besagtes Wasser liegt zu 2 Dritteln im Intrazelluläraum (IZR) und damit weit weg von uns Doctores. Das zugänglichere Drittel liegt im Extrazellulärraum (EZR). Dazwischen liegen die für Wasser eher undurchlässige lipophilen Zellmembranen.
2/3 IZR, 1/3 EZR
Der EZR teilt sich auf in 80% Interstitium und 20% Intravasalraum, unserem geliebten Primärkompartiment der Pharmakokinetik. Dazwischen liegt für Niedermolekulares weitgehend durchlässiges Gefässendothel. Dass Wasser und Elyte ungehindert hin- und herwandern sehen wir am beliebtesten hydrostatischen Experiment der institutionalisierten Medizin: dem Knöchelödem der chirurgischen Kollegen nach 6 Stunden Aortengemurks…
EZR = 80% Interstitium + 20% Intravasalraum
Was will der Michel aber damit sagen? Erstens: nur der kleinste Teil des Gesamtkörperwassers (20% des EZR intravasal bei 1/3 Anteil wären dann bei 60% Gesamtanteil schlappe 4% Masseanteil und nur knapp 7% des Gesamtkörperwassers) ist uns therapeutisch direkt zugänglich. Der interstitielle Teil des EZR steht aber in regem Austausch mit dem IVR was Wasser und Elyte angeht, da ja keine Barriere das Ganze unterbindet. Und warum ist das wichtig? Dem geneigten Leser mag ja bei den Worten Kristalloide und 0,2 (also 20%) irgendwie ein mnestisches Glöckchen klingeln, den anderen sei gesagt: Wenn ich Kristalloide in die Blutbahn giesse, dann bewegen sich selbige flugs via Endothel ins Interstitium und zwar so ungehindert, dass 80% darin versickern, ich also für 200 ml intravasal verbleibendes Volumen mittelfristig 1000 ml Kristalloid versenken muss, 800 ml also nach interstitiell abdampfen.. Und bei wem`s jetzt noch nicht klingelt: Das ist der Volumeneffekt der Infusionslösungen von dem man eigentlich mal gelesen haben sollte und da kommt die 0,2 Volumeneffektfaktor der Kristalloide her. Downside dieser lustigen Umverteilerei ist das folgende interstitielle Ödem, mit allen deletären Folgen für Organfunktion und Leben… Alveole und Wasser im Interstitium vertragen sich beispielsweise auf Dauer nicht so richtig gut mit der Idee des optimalen Gasaustauschs…
Deshalb hat man sich ja ursprünglich Makromoleküle wie HES (130 kDalton, siehe Ausschnitt unten) und Gelatine (um 30 kDalton) oder auch Albumin (ca 66 kDalton) ausgedacht, denn diese kommen nicht über das intakte Endothel und halten so theoretisch Wasser osmotisch zurück… doof nur dass HES wohl eher dem Leben kritisch kranker abträglich ist, Gelatine Allergien macht und Albumin im Septiker inflammatorische Prozesse (Björck et al. 2020… nein nicht die isländsche Sängerin Björk) anzuschieben scheint, wenngleich die Überlebenswahrscheinlichkeit im Septiker mit Humanalbumin wohl laut SAFE, EARSS und ALBIOS steigen dürfte. Ergo, initial und meist Kristalloide.

Kleines Nebendetail, auch im Interstitium hat`s Albumin, weshalb der Nettofluss eher gering ist, der Volumeneffekt längeranhaltend hoch und wir keinen Nettofluss ins Gefäss haben, wie bei einem onkotischen Gefälle eigentlich zu erwarten sein sollte. Nebenbei bemerkt ist Albumin ja auch in vivo an der endothelialen Barriere durch Glycokalix-Interaktion beteiligt…aber wir schweifen ab, der Volumeneffekt der Kolloide schwankt zwischen etwa 80% (Humanalbumin 5%) und um 95% (HES und Albumin 20%). Vollblut läge entsprechend bei knapp 100%, Erykonzentrate sollten theoretisch sogar eher Volumen aus dem Interstitium binden… theoretisch… aber diesen Effekt konterkariert ja der chirugische Kollege meist gekonnt…
Volumeneffekt Kristalloide 0,2 (20% Intravasalverbleib)
Was fehlt uns jetzt noch an sinnvollem Wissen? Das Butvolumen vielleicht, also bitte:
Blutvolumen Erwachsene 70 ml/kg Idealgewicht (also ca. 5 l für Otto Normalverbraucher)
So, heute bleibt`s ein wenig knapper, aber das ganze Prozentgewusel macht ja auch müde.
[…] Jeder kennt die Standardinfusion „zum offenhalten“ und allgemein besteht Akutmedizin aus reichlich Volumengabe oder Diuretika… Grund genug sich die Grundlagen zu Flüssigkeit im Körper zu verdeutlichen: https://boa.coach/2023/01/25/wassergefaelle/ […]
[…] Jeder kennt die Standardinfusion „zum offenhalten“ und allgemein besteht Akutmedizin aus reichlich Volumengabe oder Diuretika… Grund genug sich die Grundlagen zu Flüssigkeit im Körper zu verdeutlichen: https://boa.coach/2023/01/25/wassergefaelle/ […]
Und was soll das nun heißen? Kein E135 mehr in der Präklinik? Ich denke doch eher nicht…. Schönes Hintergrundwissen… Für den RTW jetzt aber nicht soooo wichtig. Oder?
Na ja, also zum einen ist der Artikel ja eher proElyte zu verstehen angesichts der teils relevanten Nebenwirkungen der Kolloide. Und zum anderen liest man ja kurz gefasst in den Sepsis guidelines ein Go! für die frühe und zielgerichtete Kristalloidgabe und ein dann intrahospital negatives Volumenmanagement… insofern als prähoapital v.a. Kristalloide zum Einsatz kommen mag Dich das nicht interessieren, richtig. Ich nehm an, du meinst übrigens E153? Die Rationale hinter dem Artikel ist sich bewusst zu machen, dass Kristalloide eben nicht primär aus der Blutbahn in die Blase laufen, sondern dass ein wildes Geflute eben v.a. akut pulmonale Nebenwirkungen hat. LG