BoA ist Edutainment, kein Lehrbuch! BoA dient der Unterhaltung und Information und keinesfall als Anleitung für medizinisches Handeln, weder von Laien noch von medizinischem Fachpersonal. Die Grundlage medizinischen Handelns muss immer die Expertise entsprechend zugelassener Behandler auf der Basis profunder durch ein Studium und adäquate Praxis erworbener Kenntnisse in Union mit der Anleitung durch entsprechend geschulte Fachkräfte im sicheren Rahmen einer medizinischen Einrichtung sein. BoA kann und will das nicht leisten.
Michel
Oi, oi… Glutamatrezeptoren… Glutamat kennen Mama und Papa vor allem vom Buffet beim Chinarestaurant und der anschliessenden Mattigkeit mit ggf. Flushsymptomatik… dabei ist Glutamat so viel mehr als Umami und Aromat… nämlich die Nummer eins unter den exzitatorischen Botenstoffen im ZNS. [PS: das etwas rasistisch anmutende “chinese restaurant syndrome nach glutamatüberfrachteten Speisen beinhaltet Par- und Hypästhesien, Schwindel, Benommenheit und Palpitationen]

Wirkung vermittelt Glutamat als exzitatorische Aminosäure über Glutamatrezeptoren. Davon gibt es nun 4 wesentliche Typen: NMDA, AMPA, Kainat und metabotrope Rezeptoren. NMDA, AMPA und Kainat-Rezeptoren sind ligandengesteuerte unspezifische Kationenkanäle, lassen also auf Glutamatkontakt entlang der Konzentrationsgradienten Natrium und Calcium in die Zelle und Kalium raus. NMDA-Rezeptoren lassen dabei v.a. Calcium fliessen, non-NMDA-Rezeptoren (also AMPA und Kainat) v.a. Natrium. Insgesamt überwiegt ein Nettokationeneinwärtsfluss. Benannt sind die Jungs nach in vivo nicht vorkommenden Agonisten, also NMDA – N-Methyl-D-Aspartat, AMPA – α-Amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazol-propionsäure und Kainat, ein Strukturanalogon des Glutamats, das u.a. so stark exzitatorisch wirkt, dass Neuronen durch eine Calciumüberladung eingehen können – die sog. Exzitotoxizität.
Metabotrope Rezeptoren wirken – wie könnte es anders sein via G-Proteine auf die Phospholipase C (meeehr Inositaoltriphosphat) und die Adenylatcyclase (weniger cAMP) und vermitteln so weitere intrazelluläre Effekte.
- Glutamatrezeptoren
- ligandengesteuerte Ionenkanäle
- NMDA-Rezeptor (Ca2+>> Na+, K+)
- non-NMDA-Rezeptoren (Na+>> K+, Ca2+)
- AMPA-Rezeptor
- Kainatrezeptor
- metabotrope Rezeptoren
- ligandengesteuerte Ionenkanäle

Spannend sind diese Kanäle v.a. aufgrund ihrer Reaktionsgeschwindigkeit mit einer Latenz unter 5 ms. V.a. AMPA-Rezeptoren vermitteln so schnelle postsynaptische Potentiale also eine zügig weitergeleitete Erregung. Interessant an NMDA-Rezeptoren ist, dass sie eine Vordepolarisation benötigen, um Ionenströme freizugeben. Aber von vorn:
NMDA-Rezeptoren sind postsynaptisch gelegende ligandengesteuerte Kationenkanäle, die im gesamten ZNS, v.a. im Neokortex, Hippokampus und Thalamus vorkommen- damit überall da, wo Gedächtnis, Lernen und Schmerzverarbeitung stattfinden. Im spinalen Hinterhorn verstärken über NMDA-Rezeptoren vermittelte Depolarisationen die synaptische Impulsübertragung – man ‘bahnt’ sich den Schmerz… Stichwort Schmerzgedächtnis. Ihr Komplex aus 4 subunits trägt multiple Bindungsstellen, zunächst einmal für Glutamat und das namengebende NMDA (NMDA-binding site), dann für Glutamat, AMPA, Kainat und Quisqualat (non-NMDA-binding site), für Magnesium im Kanal des Tetramers, und für Zink, Glycin und so illustre Freudenspender wie Phencyclidin und Ketamin, die hier v.a. blockierend wirken.
Kommt nun so ein Glutamat an und bindet unvermittelt über die NMDA-binding site, passiert erstmal nicht. An der ruhenden Nervenzelle bei -70mV geht gar nix. Erst ab einer Vordepolarisation bei etwa -50 mV gibt ein im Ionenkanal gebundenes Magnesiumion den Kanal frei und es kann über eine von Calciumionen dominierten Kationennettoeinstrom (also zusätzlich noch Natrium rein und wenig Kalium raus) zur Depolarisation kommen. Nur das Zusammentreffen von postsynaptischer Vordepolarisation und präsynaptischer Glutamatausschüttung und dann postsynaptischer Bindung führt zur Depolarisation, also Exzitation. Warum ist das spannend? Beim Lernen werden bestimmte Bahnen häufiger genutzt, es laufen also viele Erregungen wiederholt über eine Bahn, was diese damit etabliert. Nun sitzt da auf einer Strecke, die häufig befeuert wird postsynaptisch sozusagen ein Verstärker, der anspringt, wenn prä- und postsynaptische Erregung zusammenfallen, (man liest ‘Koinzidenzdetektor’) was häufiger wird, je häufiger eine Bahn benutzt wird. Der Rezeptor ‘gatet’ also Erregungen, indem er, wenn er postsynaptisch noch keine Vordepolarisation findet via Magnesium den Kanal blockiert und somit keine Depolarisation stattfinden lässt. Kommt jedoch viel Glutamat an, wird via non-NMDA-site ein selektiver Na+/K+-Fluss ausgelöst, der vordepolarisiert, Magnesium entfernt, die NMDA-site freigibt und dann auch einen Calciumfluss und die volle Depolarisation zulässt. Neben der elektrisch-potentiellen Wirkung des Calciums, unterhält es auch über metabotrope Effekte Schritte, die zur Etablierung zusätzlicher Verstärkung durch Aktivierung, Rückkopplung und Ausbildung neuer AMPA-Rezeptoren, bzw. Synapsen führt, die “vielbefahrene Strecke wird exzitatorisch ausgebaut“.
AMPA-Rezeptoren sind die fixen Brüder der NMDA-Rezeptoren, ihre kurze Latenz unter 5 ms und der v.a. von Natrium getragene Kationennettoeinstrom bedingt die schnellen postsynaptischen Potentiale der rasanten glutamatgesteuerten Exzitation. Auch AMPA-Rezeptoren sind überall im ZNS vorkommende postsynaptische Glutamatrezeptoren und bestehen ebenfalls aus 4 subunits. Die verschiedenen Subunits von GluR1 bis GluR4 haben jeweils verschiedene Formen mit unterschiedlicher Desensibilisierung (sog. “Flip” und “Flop”-Konfigurationen) und bestimmen das Ionenflussprofil. Primär wird über non-NMDA-Rezeptoren ein Natriuminflux bewirkt. Die GluR2-Einheit verhindert einen Calciumfluss und bedingt einen spannungsabhängigen Kationenfluss im Sinne eines “inward rectifier”. Ich hab im Physiologiepraktikum immer gedacht “Alter, wer braucht denn so was?” und ich denke, ich bin damit nicht ganz allein gewesen. Für alle, denen es damals auch schon nicht klar war: Rektifikation heisst letztlich nur, dass abhängig vom Membranpotential über eine Gruppe von Kanälen primär Kationen (die positiven Ionen) in die Zelle fliessen. So ein Kanal reagiert also auf negative Membranpotentialverschiebungen vom Ruhemembranpotential aus mit viel Kationenfluss in die Zelle, während er bei positiven Auslenkungen vergleichsweise geringe Leitfähigkeit aufweist. Damit stabilisieren diese Rezeptoren unterm Strich ein höheres Membranpotential bzw. machen eine Erregung wahrscheinlicher. (Übrigens zum Thema Latenz: Pampalonie et al. fanden auch langsame Varianten in Mäusehypocampi, allerdings noch ohne klare Funktionszuordnung… die schöne Welt der Physiologie – Niccolò P. Pampaloni, Irene Riva, Anna L. Carbone, Andrew J.R. Plested. Slow AMPA receptors in hippocampal principal cells. Cell Reports, DOI: 10.1016/j.celrep.2021.109496).
Kainatrezeptoren sitzen nun eher präsynaptisch und sorgen da für eine reduzierte GABA-Ausschüttung, sie sind wiederum aus 4 subunits aufgebaut und lassen primar Natrium und Kalium durch, Calcium kaum. Sie haben wohl auch metabotrope Effekte und dienen teilweise der Neuroplastizität, sind aber noch vergleichsweise wenig erforscht. Eine direkte Erregung führt zu Krampfanfällen.
Spannend fand ich die Exozitotoxizität, bei der es durch glutamaterge Dauerbelastung zu Neuronenuntergängen kommt. Ein Beispiel für eine solche Glutamatüberfrachtung sind ischämische Hirnschädigungen. Ein potentieller Behandlungspfad für die Reduktion ischämischer Folgeschäden wären insofern Ketamin oder Phencyclidin. Zur Ketaminwirkung findet ihr hier einen Beitrag.