Güdelstadien

Man fragt sich ja manchmal, ob Prüfern nichts Praxisnäheres mehr einfällt als eine Narkosetiefenbestimmung aus dem Jahr 1920, bzw. 1937 als man noch mit Äther narkotisierte und kein sinnvolles apparatives Monitoring zur Verfügung hatte. Scheinbar nicht. Nun gut: Güdelstadien.

Eingeführt hat diese Einteilung zur Bestimmung der Narkosetiefe anhand von klinischen Parametern der amerikanische Anästhesist und Professor der University of Southern California Arthur Guedel, uns allen noch im Ohr dank des auf ihn zurückgehenden und im Gegensatz zu dieser Stadieneinteilung auch 2022 noch sinnvoll einsetzbaren Güdeltubus.

Arthur Guedel

Er beschreibt dabei verschiedene Stadien, die unter zunehmender Narkose mit Diethylether sowohl bei Einleitung in die eine und bei Ausleitung in die andere Richtung durchlaufen werden. Die Phasen sind dabei:

  • Analgesie
  • Exzitation
  • Stadium chirurgischer Toleranz in drei Tiefegraden
  • Asphyxie

Beurteilt werden Bewusstsein – Atmung – Augenbewegungen & Pupillomotorik – Reflexe – Tonus

Moderne Inhalationsanästhetika in Kombinationsnarkosen zeigen diese Stadienverläufe nicht mehr. Einzig das Exzitationsstadium lässt sich bei jungen Kindern in Ein- und Ausleitung zeigen und beschreibt dabei ein Stadium erhöhter reflektorischer Aktivität, unregelmässiger Atmung und ungezielter motorischer Aktivität. Wer das in der Kinderanästhesie mit ausreichender Wachheit verwechselt und hier den Tubus zieht, wird nicht selten mit einem schönen Laryngospasmus und dem sich daraus ergebenden Notfall belohnt. Ein zu frühes Intubieren initial hat ähnliche Effekte. Ergo: Beim Einleiten warten. Beim Ausleiten werden Kinder erst extubiert, wenn sie richtig wach sind und zum Tubus greifen oder die Augen öffnen oder – seltener – noch in ausreichender Tiefe bei Spontanatmung vor Erreichen des Exzitationsstadium. Ein schöner Marker sind tatsächlich die Augenstellung und die Pupillomotorik. Durch die funktionelle Dyskoordination verschiedener Zentren kommt es zu den wildesten Augenstellungen im Sinne von Schielstellungen in allen Himmelsrichtungen. Erst wenn der Blick sich normalisiert ist es sinnvoll aktiv zu werden. Bis dahin sanft und ruhig behandeln, allenfalls sanft die Atmung unterstützen und auf keinen Fall irgendetwas in den Atemweg stecken!

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  • Analgesie – unser Patient ist noch bei Bewusstsein, atmet koordiniert, bewegt die Augen, Lid-/Cornea-/Licht-/Hustenreflex und Muskeltonus sind erhalten.
  • Exzitation – das Bewusstsein erlischt, die Atmung wird unkoordiniert und dysrhythmisch, die Augenstellung wird dyskoordiniert (“Schielen”), die Pupillen weiten sich, Lid-/Corneal-/Lichtreflex sind erhalten, laryngeale Reflexe sind gesteigert mit dem Risiko von Laryngospasmus und Erbrechen, der Muskeltonus ist erhöht
  • Toleranz I – die Atmung rhythmisiert wieder, die Pupillen werden eng, der Lidreflex erlischt, laryngeale Aktivität kommt zum Erliegen, am Ende der Stufe I erlischt der Hustenreiz, der Muskeltonus reduziert sich wieder. Eingriffe ohne Muskelrelaxation sind möglich.
  • Toleranz II/Toleranz III – Augenbewegungen kommen zum Erliegen, die Pupillenweite nimmt wieder zu, Reflexe nehmen weiter ab bis am Ende am Übergang zur Asphyxie auch der Lichtreflex erlischt, der Muskeltonus nimmt ab, Stufe II erlaubt Eingriffe in Relaxation bis hin zu grossen abdominellen Eingriffen in Stufe III.
  • Asphyxie – hier haben wir es mit dem Getropfe übertrieben, die flache Atmung kommt zum Erliegen, die Pupillen sind maximal weit, Reflexe sind erloschen. Kardiale Komplikationen führen.

Ein bisschen Geschichte der Medizin ist ja ab und an ganz sinnvoll.




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