longQT-Syndrom

Manchmal wird einem das Anästhesieren lang und manchmal wird einem dabei oder danach etwas lang, das QT-Intervall zum Beispiel… und wenn QT zu lang wird, dann ist das zumindest für den Patienten potentiell lebensbedrohlich… Flattert es dann akut mehr als einem recht ist… nicht das Hemd, sondern primär die Kammer in Torsaden dann sollte man wissen warum das so ist und was man hätte tun sollen – also, wir reden vom longQT-Syndrom.

Als longQT-Syndrom bezeichnet man eine angeborene Ionophoropathie der myokardialen Natrium-, Calcium- oder Kaliumkanäle (z.B. beim Romano-Ward-, Jervell- oder Lange-Nielsen-Syndrom) oder eine erworbene Veränderung der Reizleitung mit der Gefahr von malignen Rhythmusstörungen. Neben den vergleichsweise seltenen genetisch bedingten Formen, sind es vor allem die arzneimittelinduzierten Formen, die uns hier interessieren wollen. Warum? Weil für sehr viele Alltagsmedikamente in der Anästhesie ein longQT-Syndrom beschrieben worden ist.

Nun, was passiert. Es kommt zu einer verzögerten Repolarisation während der Plateauphase des Aktionspotentials. Die Repolarisation verzögert sich entweder durch Zunahme des Natrium/ Calciumeinstroms oder durch Abnahme des Kaliumaustroms. Die sog. vulnerable Phase verlängert sich also. Hauptverantwortlich dafür ist bei den erworbenen Formen der unspezifisch bindungsfreudige schnelle delayed rectifier IKr (der Kaliumausstrom der myokardialen Repolarisation hat noch eine langsame Variante IKs mit “s” für “slow”, “r” also for “rapid”). Wird der nun blockiert, läuft die Repo schleppend und Zwischen- oder Nachdepolarisationen können auftreten (z.B. über früh aktivierte L-Typ Calciumkanäle). Dadurch kommt es zeitabhängig zu Arealen unterschiedlicher Refraktarität mit der Gefahr von reentries und TdP. Hypokaliämie verschlimmert den Effekt.

Klinisch zeigen sich bei allen Formen Schwindel, Synkopen, Tachykardie und Kammerflimmern. Der plötzliche Herztod junger sportlicher Patienten wird in etwa einem Drittel mit unerkannten Formen des LQTS in Verbindung gebracht.

Wie findet man ein LQTS? 1. Dran denken! 2. Messen und Rechnen: Dazu braucht es zunächst mal ein EKG ausreichender Qualität. Wir messen also brav aus: vom Beginn der Q-Zacke bis zum Ende der T-Welle. Was wir messen ist die Phase ventrikulärer De- und Repolarisation. Schade nur, dass die nackte Zahl nicht aussagt. Unser QT ist frequenz- und geschlechtsabhängig. Also brauchen wir ein Korrektiv, das Frequenz und QT in Bezug setzt. Als Maß für die Frequenz bietet sich der RR-Abstand, also eine Messung von R-Zacke zu R-Zacke an.

Damit es nicht zu einfach wird bilden wir also nach Bazett einen Quotienten aus der gemessenen QT in Millisekunden geteilt durch die Quadratwurzel aus dem RR-Abstand in Sekunden. Die korrigierte QT-Zeit kriegt den Index c für “corrigé” oder so und nennt sich fortan QTc.

Formel nach Bazett

Für die grobe Alltagsorientierung, für die auch diese Formel steht, reicht es, oberhalb von 440 ms (beim erworbenen LQTS 450 ms für Männer und 470 ms für Frauen) die Stirn kraus zu ziehen und an entsprechende Medikationskarenz und/ oder Überwachung zu denken. Oberhalb von 500 ms ist das Risiko signifikant erhöht, da geht`s dann sicher an die stationäre Überwachung inklusive Therapie. Ein QT das länger als der halbe RR-Abstand ist sollte zum Nachmessen animieren (“Blickdiagnose”).

Vigilanz und Antizipation sind ja beliebte Schlagworte der Anästhesie, so auch hier. Man sollte sich bewusst machen, dass viele Alltagsmedis der Anästhesie zu einem LQTS führen können, z.B. Haldol und Quetiapin (v.a. bei i.v.-Gabe bei agitierten Patienten tut also genaugenommen eine mindestens 2-stündige Überwachung und QTc-Messung auch auf der Geriatrie not! Herstellerseits wird für Haldol deshalb die i.v.-Gabe nicht mehr empfohlen!), Amiodaron, Ondansetron und Droperidol (ja, die speiende Primipara ist auch in der Risikogruppe!), Methadon, Citalopram und Sympathikotonika wie Dobutamin und Ephedrin, Sevofluran und Succinylcholin. Amiodaron macht zwar ein longQT, scheint aber eher stabilisierend zu wirken – just to say.

Für die Freunde von Merksätzen gibt`s die 5-A-Regel der LQTS-auslösenden Medikamente

  • Antipsychotika/ Neuroleptika (u.a. Haloperidol, Quetiapin,…)
  • Antiarrhythmika (u.a. Sotalol, Amiodaron…)
  • Antibiotika (u.a. Erythromycin, Cotrimoxazol, Moxifloxacin…)
  • Antidepressiva (u.a. Amitriptylin, Doxepin,…)
  • Antihistaminika (u.a. Terfenadin, Astemizol)

Die Therapie klingt wie ein Werbespruch, Kalium! Magnesium! Strom!.

Was soll das heissen? Nun, Hypokaliämie ist ein aggravierender Faktor, wir streben Hömöostase also Normokaliämie im oberen Normbereich an. Das ach so beliebte Metoprolol zur Frequenzkontrolle ist beim erworbenen longQT-Syndrom kontraindiziert (!), verlängert es doch zusätzlich die Repolarisation und öffnet reentry und TdS die Tür noch weiter und erhöht wie andere Betablocker auch im Gegenteil sogar das Risiko für Kammerflimmern/TdP! Im Gegenteil streben wir bis zur QTc-Normalisierung eine höhere Herzfrequenz um 100/min an. Dazu bieten sich Betamimetika oder gar Schrittmacher an. Betablocker haben nur bei bestimmten Formen des kongenitalen longQT-Syndrom einen protektiven Effekt. Die Implantation eines ICD ist bei wiederholt symptomatischen Patienten (also den Synkopanden) und nach überlebtem Herzstillstand indiziert.

Und was, wenn`s grad akut flimmert? Mitunter ist die genetische Differenzierung so kurzfristig nur schwer verfügbar. TdP-Tachykardien werden mit ggf. repetitiv 1-2 g i.v. Magnesium behandelt, Magnesium wirkt hier durch Blockade des Calciumeinstroms stabilisierend. Hämodynamisch instabile Patienten werden ggf. kardiovertiert. Homöostase ist auch hier wieder wichtig, sonst wird das ganze ein repetitives Geblitze. Also auf zur Normokaliämie. Karenz von möglichen Auslösern versteht sich von selbst.

Ein Dank an Dr. S. Kohler für die Korrekturen und den folgenden Link:

https://www.hindawi.com/journals/tswj/2012/212178/




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