
Kurzgefasst bezeichnet man die Tatsache, dass Blut sich nicht wie Wasser verhält als Fahraeus-Lindquist-Effekt. Genauer, dass seine Viskosität bei abnehmenden Gefässdurchmessern zunächst abnimmt (statt zunimmt!). Nun Blut ist eben kein Wasser, sondern eine Flüssigkeit in der Partikel verschiedener Grösse herumtreiben, die auch noch unterschiedliche Eigenschaften haben… u.a. – das wird uns noch wichtig werden – Erythrozyten und Thrombozyten.
Hat jemand schon mal was von granulärer Segregation gehört? Das ist nun kein rassistischer Trennungsvorgang pickliger Mitmenschen verschiedener Hautfarbe, sondern lässt sich kurz und knackig auch mal als “Paranuss- oder Müeslieffekt” bezeichnen. Was soll das heissen? Wir nehmen mal das tolle Schoko-Banane-Müesli aus dem Schrank und sind ganz ehrlich – wir haben`s auf die Schokostückchen und die Bananenchips abgesehen, die Haferflocken sind, nun ja, Füllmaterial. Wenn wir nun für uns selber wohnen, dann wollen wir, dass die tollen Stückchen homogen über unser Müesli verteilt sind. Wohnen wir aber in einer WG, dann lohnt es sich wenn wir mehr Leckerteilchen abbekommen als der Mitbewohner, der nie den Abwasch macht… ergo? SCHÜTTEL DIE BÜCHS! Aufgrund der unterschiedlichen Durchmesser der Teilchen (eben “granulär”) unseres Müeslis und ihres unterschiedlichen Wanderungsverhaltens wandern die grossen Stücke in die Mitte und von dort nach oben auf die Oberfläche, trennen sich also von den schnöden Haferflocken (eben “Segregation”) wo wir sie abschöpfen können. Toll, oder?
Aber was hat das nun mit Blut zu tun? Nun so ein Ery hat etwa 7,5 μm Durchmesser und 90 fl (also 90 Milliardstel Milliliter), während so ein Thrombozyt 0,5-0,75 μm Durchmesser bietet, also etwa 10 mal kleiner ist. Erys sind recht flexible Burschen (oder Maderl… ich verwend mal weiter nur das generische Maskulinum, sorry) und passen gern auch mal durch Kapillaren mit 5 μm, dann zwar einzeln und verformt (schön auch mal im Augenhintergrund zu sehen!), aber sie gehen durch. Nun schwemmen wir das ganze mit Plasma auf und drücken die Jungs gemeinsam durch ein Gefässsystem. Fallen wir nun unter einen bestimmten Gefässdurchmesser (<300 μm), dann sorgen Scherkräfte entlang der Gefässwand dafür, dass sich die Teilchen von der Gefässwand wegbewegen und gleichsam von einem Flüssigkeitssaum aus Plasma umgeben werden. Dadurch reduziert sich die Viskosität scheinbar, man könnte auch etwas ungelenk sagen, die Reibung reduziert sich durch einen Schmierfilm zwischen Ery und Gefässwand. Diese “Axialmigration” der Erys mit Bildung einer zellarmen Gleitschicht” führt dazu, dass die Blutviskosität mit sinkendem Gefässdurchmesser erstmal sinkt (nämlich fast auf den Wert reinen Plasmas), um dann in den Kapillaren mit Erreichen des Erydurchmessers wieder deutlich anzusteigen. (“Fahraeus-Lindquist-Effekt).
Zurück zu den Teilchen im Müesli. Da wirbelt es also durch die Pulswelle unsere korpuskulären Freunde wild herum, die Erys drängen weg von den Scherkräften zur Mitte und die Thrombos werden als kleine Teilchen nach aussen verdrängt. Soll heissen, die Radialmigration der Erys verdrängt die Thrombos an die Gefässwand, wo ja nun vermutetermassen die primäre Hämostase stattfinden soll. Hat Mutter Natur sich das nicht schön ausgedacht? Ab etwa einem Hämatokrit von 25% allerdings wird dieser Mechanismus gestört, weshalb wir ja auch im Blick auf das Blutungsmanagement ausreichend höhe Werte für Hb und Kkt anvisieren (“ongoing major bleeding”).