Aktionspotentiale in Nerv, Reizleitung und Myokard

“Aktionspotential”, das klingt so nach der Fähigkeit ggf. Leistung zu bringen, nach Sport und Freizeit… hm, leider ist es aber Basisphysiologie… bekanntermaßen erfreut die sich ja nun nicht so großer Beliebtheit… dabei ist sie doch so richtig was für`s Herz…

Also zumindest ist es nicht ganz falsch, an der Stelle etwas genauer hinzuschauen. Vor allem drei Arten von APs schauen wir uns hier genauer an – das prototypische AP des peripheren Nerven, das AP kardialer Reizleitungsstrukturen und das AP im Arbeitsmyokard.

Und sorry falls es chaotisch zu lesen ist, ich schreib das grad um 2 Uhr nachts im Dienst 🙂

Um einen kommen wir in der Elektrophysiologie kaum rum… und zwar um ihn:

Dieser adrette junge Mann ist Walther Nernst (1864-1941), seines Zeichens nach Nobelpreisträger für Chemie im Jahr 1920 für seine Arbeiten zur Thermochemie und dem 3. Hauptsatz der Thermodynamik. Wir als Mediziner verdanken Herrn Nernst vor allem die nach ihm benannte Nernst`sche Gleichung und damit zusammenhängend ein paar graue Haare in den ersten zwei Semestern Physiologie.

Vereinfacht gesprochen lässt diese hübsche Formel zu, dass wir das Ruhemembranpotential über eine für ein bestimmtes Ion x selektiv permeable Membran in Abhängigkeit von seiner Konzentration in den von der Membran getrennten Medien berechnen können.

Nernstgleichung Ex = 61 mV/zx · lg(c[x]außen ÷ c[x]innen)

Ex   ist dabei das zu errechnende Gleichgewichtspotential, Zx  die «Ladungswertigkeit» (also bei Kalium +1, bei Magnesium +2 usw.) und C[x]  die jeweilige Konzentration von Ion x in den Medien. Wem das übrigens zu wenig komplex ist, der darf sich gern mit der zugrunde liegenden Goldman-Gleichung rumplagen, da kann man dann mit mehr Konstanten und Ionen rumrechnen.

Wer jetzt noch wach ist, könnte jetzt einfach mal so die Konzentrationen für verschiedene Ionen schnappen und daraus die Ruhemembranpotentiale berechnen …kann man aber auch lassen und sich einfach das folgende Bild anschauen.

Was les ich nun schlaues aus dem Bilde?

  1. Nun, zunächst sollte man sich bewusst machen, dass die Ruhemembranpotentiale unserer Nervenzellen auffällig nah um das Kaliumruhemembranpotential herumspringen. Chlorid liegt auch nicht so weit weg. Kalium- und Chloridleitfähigkeiten stabilisieren also wohl das Ruhemembranpotential.
  2. Eine Depolarisation führt zwangsläufig Richtung Null und darüberhinaus ins Positive. Wenig erstaunlich, dass wohl Natrium- und Calciumflüsse mit Ruhemembranpotentialen in dieser Ecke zur Depolarisation beitragen.

Kalium & Chlorid: Membranstabilisierung & REpolarisierung

Natrium & Calcium: DEpolarisation (& Depolarisationserhalt)

Aha… und nun? Was brauchen wir nun also für ein AP, bzw. für eine weitergeleitete Erregung?

Zunächst eine Membran und Ionengradienten über diese Membran. Die energieabhängige Natrium-Kalium-ATPase schafft uns den altbekannten Basisgradienten von Natium extrazellulär hoch und Kalium intrazellulär hoch, der als treibende Kraft für viele Prozesse herhalten muss . Wäre unsere Membran unselektiv durchlässig für die Ionen käme es schnell zum Ausgleich der Gradienten und zum Erliegen elektrischer Aktivität (und nebenbei zum Hydrops der Zelle, da der steigende Natriumgehalt im sonst eher wenig natriumgeschwängerten Zellinneren Wasser nach sich zieht und die Zelle unschön ödematös verformt… das wäre dann übrigens auch der Grund, warum Zellen mit Erliegen der Zellatmung hydropisch degenerieren und schliesslich platzen, kein ATP, kein Gradient, ergo Natriumausgleich, Wassernachlauf, “bumm”).

Zurück zu den Dingen, die es für ein AP braucht: Membran, Gradient und: selektive und getriggerte Ionenkanäle. Und plötzlich kann aus unseren Gradienten ein fortgeführtes AP werden.

AP am peripheren Nerv (“Natrium-Kalium”)

Das AP des peripheren Nerven ist spitz, hat 4 Phasen und es dauert wenige Millisekunden.

Das Ruhemembranpotential liegt bei etwa – 70 mV. Unsere Na/K-ATPase bolzt fleissig unter ATP-Verbrauch Natrium aus der Zelle und Kalium hinein und die Hauptleitfähigkeit im Bereich des Kaliumgleichgewichtspotentials wird durch unspezifische Ionenkanäle v.a. vo unspezifischen Kaliumströmen (und ein wenig von Natrium und Chlorid) bestimmt.

  • In Phase 1 kommt es nun zu einem Anstieg des Potentials. Auslöser können zugeleitete APs sein oder postsynaptische Ionenströme. Phase eins endet mit Erreichen des Schwellenpotentials. Bis zum Erreichen des Schwellenpotentials ist die Depolarisation hier noch reversibel.
  • In Phase 2 öffnen sich durch Erreichen des Schwellenpotentials (irgendwo um -55mV). schlagartig spannungsabhängige schnelle Natriumkanäle (und verzögert langsame Kaliumkanäle für Phase 3 werden zunehmend aktiviert). Natrium strömt in die Zelle. Das Potential schießt steil Richtung Nullpunkt (schnelle Depolarisation) und darüber hinaus Richung Natriumgleichgewichtspotential, ohne es jedoch (aufgrund der zunehmenden Kaliumströme) zu erreichen (Endpunkt etwa um +30 mV).
  • Phase 3 beginnt mit der Inaktivierung der schnellen Natriumkanäle und der nun stark zunehmenden Öffnung besagter spannungsabhängiger langsamer Kaliumkanäle – Ein steiler Abfall des Potentials durch den nun maximalen Kaliumausstrom ist die Folge.
  • Phase 4 bezeichnet das Überschiessen der Repolarisation (Hyperpolarisation) – Auch die langsamen Kaliumkanäle werden nun inaktiviert. Aufgrund des langsamen Gradientenaufbaus durch die Na-K-ATPase bleibt die Hyperpolarisation einige Zeit bestehen. Diese Zeit ist die relative Refraktärzeit – es braucht also stärkere Reize/ Potentialänderungen zum Erreichen des Schwellenpotentials, Erregung ist aber möglich. Die Hyperpolarisation bedingt aber auch die Reaktivierung der zuvor inaktivierten Natriumkanäle – erst mit Hyperpolarisation ist also überhaupt wieder eine Depolarisation möglich – zuvor herrscht also absolute Refraktärzeit.

AP im kardialen Reizsystem (“funny” Kationen, Calcium, Kalium)

Das andere AP mit etwa 200 ms… das ganz andere… zunächst einmal gibt`s eigentlich keine Ruhephasen… die wären ja mitunter auch tödlich… nun, sind es tatsächlich. Aber Phasen gibt es auch, diesmal 3. Das sich ergebende Bild sind “Haifischzahnwellen”.

  • Phase 1: Gewöhnlich kommt es am AV-Knoten zunächst mal zu spontaner Erregung. Nein, keine solche. Die zugehörigen unspezifischen Kationenkanäle heissen aber trotzdem “funny channels” und werden durch die vorhergehende Hyperpolarisation aktiviert. Es kommt zu einer langsamen Depolarisation bis auf etwa -40 mV durch langsame unspezifische Kationenflüsse.
  • Phase 2: Mit Erreichen des Schwellenpotentials bei -40 mV kommt es nun zur schnellen Depolarisation durch die Öffnung spannungsabhängiger Calciumkanäle vom L-Typ (keine Natriumkanäle!). Auch hier erreichen wir Werte um 20-30 mV.
  • Phase 3: Die Repolarisation erfolgt durch Schluss der L-Typ-Calciumkanäle und Öffnung verzögert aktivierter Kaliumkanäle. Es kommt zum Kaliumaustrom. Mit Erreichen der Hyperpolarisation bei etwa -60mV schliessen sich diese delayed rectifier Kaliumkanäle und das Spiel beginnt von vorn.

Die Aufstrichphase und damit die Frequenz möglicher APs nimmt von AV-Knoten über Sinus, Tawara bis Purkinje ab und bedingt damit die Frequenzhierarche der Zentren.

AP im Arbeitsmyokard (Natrium-Calciumplateau-Kalium)

Wäre ja auch schön, wenn es einfach wär… isses aber nicht, also noch ein anderes AP im Arbeitsmyokard:

Die gute Nachricht, man depolarisiert im Arbeitsmyokard fremd… in der Regel gibt es keine Eigenaktivität. Soweit so proletarisch.

Auch hier gibt es mal wieder 4 Phasen und diesmal sind wir so im Bereich bis 500 ms

Zunächst stabilisiert sich das Ruhemembranpotenzial des Arbeitsmyokards über spezielle Kaliumkanäle bei tiefen -90 mV (etwa Kaliumgleichgewichtspotential).

  • Phase 1: Über einlaufende APs aus dem Reizleitungssystem kommt es zur langsamen Depolarisation.
  • Phase 2: Mit Erreichen des Schwellenpotentials bei etwa -60 mV öffnen analog zum peripheren Nerv schnelle spannungsaktivierte Natriumkanäle, gleichzeitig schliessen die speziellen Kaliumkanäle zur Stabilisierung des Arbeitsmyokards (“inward rectifier”). Es kommt zur schnellen Depolarisation mit Overshoot bis +20/30 mV.
  • Phase 3: Die schnellen Natriumkanäle schließen sich, Kaliumkanäle öffnen zur Repo, L-Typ Calciumkanäle öffnen spannungsabhängig. Es kommt zu einem langsamen Calciumeinstrom, der der Repolarisation verzögert und so eine Plateauphase erzeugt. Diese lange Zeit der Plateauphase erlaubt die Kaskade zur elektromechanischen Kopplung durch Freisetzung von Calcium aus dem sarkoplasmatischen Retikulum via Ryanodinrezeptoren (vrgl. MH-Podcast)! Es kommt zur Kontraktion.
  • Phase 4: Die Repolarisation wird durch den Schluss der L-Typ-Calciumkanäle und die Öffnung langsamer spannungsabhängiger Kaliumkanäle (analog zum peripheren Nerv!) bedingt. Mit Hyperpolarisation erfolgt wieder die Öffnung der inward rectifier, die stabilisierend auf das Ruhemembranpotential wirken. Gleichzeitig versetzt die Hyperpolarisation die spannungsabhängigen Natriumkanäle wieder in einen aktivierbaren Zustand.

Auch die Refraktärzeit des Arbeitsmyokards ist an die inaktivierten Natriumkanäle gebunden. Durch die lange Plateauphase kommt es aber zu einer Teilreaktivierung ab etwa -40 mV, so dass sich eine relative Refraktärphase mit Gefahr von Rhythmusstörungen durch fehllaufende Erregung ergibt.

Das Arbeitsmyokard ist übrigens durch die Plateauphase vor einem Verkrampfen geschützt, da der Verlauf der elektromechanischen Kopplung von AP bis Kontraktion und Erschlaffung kürzer als das Plateau ausfällt, so dass das Myokard regelhaft vor Einfall eines neuen AP erschlafft ist.




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