Wir kennen diese genetischen Syndrome in aller Regel von Vorträgen zum schwierigen Atemweg oder eben aus den ach so geliebten MC-Fragen von IMPP oder ESA, nun hier ein wenig mehr dazu.
Treacher-Collins-Syndrom
Synomym spricht man auch von Franceschetti-Syndrom, deskriptiv von einer mandibulofazialen Dysostose.
Die Prävalenz liegt bei 1-9/100000, der Erbgang ist zumeist autosomal dominant, seltener rezessiv, die Expressivität hochvariabel.
Manifestationen finden sich ausschliesslich an Schädel und Hals, Extremitätenanomalien treten nicht auf, gelegentlich sind Herzfehler assoziiert. Kognitive Einschränkungen bestehen in der Regel nicht.
Klinisch zeigen sich typische symmetrische faziale Dysmorphien mit Hypoplasie der Jochbögen, der Infraorbitalleisten (80 %) und der zugehörigen Weichteile, des Unterkiefers (78 %) mit Retrognathie und Retrogenie, wodurch es oft zu einem offenen Fehlbiss kommt. Typisch ist eine Fehlanlage des Kiefergelenks mit erschwerter Mundöffnung.
Weitere Dysmorphien sind antimongoloid verlaufende Lidachsen (90%), Unterlidkolobome mit Wimpernlosigkeit (70%), Gaumenspalten bei domförmigem Gaumendach (30 %), Ohrenanomalien wie Mikro-/Anotie, Gehörgangsatresie und Ossikelanomalien mit Schalleitungsschwerhörigkeit (60%).
Anästhesologisch steht der enge obere Atemweg im Vordergrund, Retrognathie, oft massiv erschwerte Mundöffnung und die weit zurückliegende Zunge erschweren beträchtlich die Intubation bis hin zur Unmöglichkeit. Tracheostomien, NIV und remodellierende Eingriffe der Mandibula sind durchaus diskutabel auch im Hinblick auf eine Alltagserleichterung bei häufig auftretenden Atem- und Schluckbeschwerden. Insgesamt sind Eingriffe zur Korrektur der Mittelgesichts-, Kiefer- und Ohranomalien die häufigsten Eingriffe um Hörverstehen, Mundöffnung und Atmung zu verbessern.
Pierre-Robin-Sequenz
Die Pierre-Robin-Sequenz ist eine Fehlanlage von Unterkiefer und Gaumen mit der typischen Trias
- Mikro-/Retrogenie
- Glossoptose (hoch und weit zurück im Rachen stehende Zunge)
- mediane Spalte des hinteren Gaumensegels
Sequenz, weil man einen funktionellen Zusammenhang sieht, zwischen kleinem Unterkiefer und dadurch Verdrängung der Zunge nach oben Richtung Gaumen, was wiederum zu einer Störung der Fusion der Gaumenfortsätze bedingt.
Häufig sind funktionelle Störungen des Kleinhirns mit Atem- und Schluckstörungen assoziiert. Kognitive Einschränkungen sind nicht die Regel.
Als Teil anderer Syndrome ist die Prävalenz der isolierten Form schwer zu schätzen, liegt aber bei etwa 1-9/100000. Isolierte Formen machen etwa 50% aus. In etwa 10% hiervon liegt eine familiäre Häufung vor, ohne dass ein Genlocus identifiziert werden konnte.
Die Prognose ist unter symptomatischer Therapie gut, Retrogenie und Glossoptose gehen mit dem Wachstum des Unterkiefers innert der ersten 3 bis 6 Lebensjahre zurück. Atem- und Schluckbeschwerden bessern sich bereits innert der ersten 2 Lebensjahre. Der operative Verschluss der Gaumenspalte erfolgt typischerweise vor dem 9. Monat.
Tritt die PRS als Teil komplexer Syndrome (genetisch bedingt, teratogen…) auf, so bestimmt die Grunderkrankung den Verlauf.
Anästhesiologisch stehen Atemstörung und erschwerte Intubation im Vordergrund.