In den letzten Jahren wurden die Leitlinien für die perioperative Endokarditisprophylaxe immer wieder revidiert, zuletzt 2015 mit einer immer enger gefassten Indikation. Hier nun die praxisorientierte Zusammenfassung der Empfehlungen:
Indikation:
A) Patientengut
Eine Endokarditisprophylaxe wird nur noch für Höchstrisikopatienten und wenige Operationen empfohlen (IIa)
- Patienten mit Klappenprothesen, inkl. Transkatheterklappen sowie Klappenrekonstruktionen unter Verwendung von Fremdmaterial
- Patienten nach überstandener Endokarditis
- Patienten mit angeborenen Vitien
- alle zyanotischen Vitien
- bis 6 Monate nach operativer oder interventioneller Korrektur bei Verwendung von prothetischem Material
- lebenslang nach Rekonstruktion bei residuellem Shunt/ Klappeninsuffizienz nach Korrektur
- also NICHT bei angeborenen nicht zyanotischen Vitien, erworbenen Vitien (AS, AI, MI, MD), hypertropher Cardiomyopathie, nach SM/ ICD, nach Herztransplantation wenn kein Vitium vorliegt.
B) Eingriffe
Empfohlen:
- Zahnärztliche Eingriffe mit Perforation der oralen Mucosa, Gingivamanipulation oder an der periapikalen Zahnregion (IIa)
- Einbringen von PM/ ICD, Klappenprothese, intravaskulärer Prothese, generell Fremdmaterial
Keine Empfehlung (III) zur Prophylaxe bei Eingriffen am Respirations-/Magen-/Darm-oder Urogenitaltrakt sowie an Haut oder Weichteilen.
Gute Mundhygiene und regelmäßige Zahnarztkontrollen (1-2x /a) sind für die Prävention der infektiösen Endokarditis bedeutsamer als die Antibiotikaprophylaxe.
Der Beachtung von Sterilität und Desinfektion bei Manipulation an iv Kathetern oder invasiven Eingriffen kommt eine kaum zu überschätzende Bedeutung zu. Jeder Infektfokus sollte kurativ antibiotisch behandelt werden.
Medikation:
- Amoxicillin 2g p.o./i.v. (Kdr. 50 mg/kg) oder Ampicillin 2g p.o./i.v. (Kdr. 50 mg/kg)
- Cefalexin 2g i.v. (Kdr. 50 mg/kg)
- Cefazolin 1g i.v. (Kdr. 50 mg/kg)
- Ceftriaxon 1g i.v. (Kdr. 50 mg/kg)
- bei Allergie: Clindamycin 600 mg p.o./ i.v. (Kdr. 20 mg/kg)
Die Gabe erfolgt 30-60 Minuten vor dem Eingriff, im Versäumnisfall innerhalb von 2 Stunden.
Trotz des formal geringen Kreuzallergierisikos bei Zweit- und Drittgenerationscephalosporinen wird bei Penicillinallergie/ Angioödem/ Urticaria deren Einsatz nicht empfohlen.
Insgesamt führt der fehlende Nachweis der Wirksamkeit der generellen Prophylaxe und das ungünstige Nutzen-Nachteil-Verhältnis (Resistenzen!) zu einer Empfehlungseinschränkung. Die Empfehlung besteht also v.a. für Patienten mit einer erhöhten Morbidität und Letalität im Rahmen einer Endokarditis.
‘ESC Guidelines for the Management of Infective Endocarditis’ – Force, Habub, Antunes et al, European Heart Journal 2015/ 36: 3075-3128