“Der presst! Spritzen sie halt was kurzwirksames hinterher… hier geht’s noch 5 Minuten…” schallt’s hinter der grünen Wand… Augenrollend antworten wir:
“Das ist pharmakologisch – pathophysiologischer Bullshit… aber auf ihrem Niveau lässt sich das eh kaum erklären…”, oder? Versuchen wir’s:
NDMR sind kompetitive Antagonisten des Acetylcholins an nikotinergen Acetylcholinrezeptoren. Besetzen sie eine Bindungsstelle einer der 2 alpha-Einheiten kommt es nicht zur Bindung von ACh und folglich nicht zu einer Aktivierung des Ionenkanals (unselektiv, ‘Natrium rein, Kalium raus’) – die Muskeldepolarisation bleibt aus, der Muskel bleibt schlaff.
Erst wenn mehr als 70% der Rezeptoren besetzt sind, wird eine Relaxierung klinisch apparent (3-4/4 im TOF und beginnendes ‘fading’). Ab 90 % Rezeptorbesetzung ist sie weitgehend (TOF 0-1).
Heißt kurz gesagt, merkt der Chirurg die nachlassende Relaxierung sind noch 70 bis 90 Prozent der Rezeptoren mit Substanz X besetzt.
Spritzt man nun die kürzer wirksame Substanz Y in ‘Nachrelaxierungsdosis’ (0,5-1 x ED95) wird dennoch – ähnliche Rezeptoraffinität vorausgesetzt – Substanz X aufgrund der Dosisbeziehungen (‘viel X – wenig Y’) pharmakodynamisch führend bleiben…
…heißt in der Praxis: spritze ich Miva nach Nimbex oder Tacrium, habe ich trotzdem 30-40 Minuten Spass in der Nachbeatmung statt der erwarteten 10-15 Minuten!
In der Praxis hat sich bewehrt, tatsächlich eher die Narkose mit wenig Propofol o.ä. zu vertiefen. Nach obiger Betrachtung kann es jedoch sinnvoll sein, zum Peritonealverschluss bei mittellang und kurzwirksamen NMDR eine sehr geringe Dosis DESSELBEN NDMR (0,1-0,25 ED95) nachzuinjezieren. Hier ist Erfahrung nötig! Und nicht vergessen: manchmal ‘presst’s’ nur zwischen den Ohren des Kollegen. Über’s Tuch schauen, wenn’s quillt: HELFEN! sonst aussitzen.
Das habe ich leider nicht verstanden.
Würdest du bitte noch einmal darauf eingehen, wieso es beim Nachspritzen von Mivacron zu einer so “unerwartet” langen Relaxierung kommt?
Ich hätte jetzt gedacht, dass das noch vorhandene Tracrium über Esterhydrolyse und Hofmann-Abbau eliminiert wird und bei einem bereits eingesetzten Fading entsprechend bald weg ist und dass das Mivacron durch Pseudocholinesterase unabhängig vom Tracrium abgebaut wird.
Was würde passieren, wenn man – rein theoretisch – Succi “auf” den wieder zuckenden/im Fading befindlichen Patienten gibt?
Wichtig ist, dass 4/4 nicht heisst, dass kein Tacrium mehr wirkt. 4/4 vedeutet, immernoch mindestens 70 % aller Rezeptoren sind mit Tacrium besetzt, weshalb die Wirkkinetik dem überwiegenden Tacrium folgt.
Succi dazuzugeben bewirkt vermutlich, dass es zu einer wenig offensichtlichen Restdepolarisation kommt (kein Faszikulieren, weil nur Wirkung an wenigen freien Rezeptoren analog dem “Präcurarisieren”), die Wirkdauer dürfte kaum verlängert sein (was nicht wirkt, macht die PlasmaChE platt)… solche Salvagegeschichten werden gemacht, wobei ich angesichts des ungünstigen Nebenwirkungsprofils von Succi eher zur Narkosevertiefung raten würde, je nach Eingriff reicht das meist…
Es dauert doch keine 40 min zwischen TOF 4/4 und TOF >90% (bzw. >95%) nach Tracrium.
Sehe ich das aber richtig, dass es einfach heißen soll: Wenn Tracrium wirkt, wirkt es so lange, wie es eh noch hätte wirken sollen. Ein bisschen von einem kurzwirksamen NDMR macht zwar kurzfristig eine stärkere Relaxierung, bis zu einem ausreichend hohen TOF zur Extubation dauert es aber eben so lange wie auch das NDMR, von dem vorher viel gegeben worden war, abgebaut ist. Das Miva verlängert mir folglich nicht den Erholungsindex meines vorher gespritzten Tracriums.
Gar nicht so trivial die Diskussion um die emotionsbeladene Muskelrelaxation 😀